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Jahr: 1934-1940
Bemerkung:
ArtikelNr. 9869

 

E-Mail

Nanga Parbat, Martin Waldmann, München Pasing, Fabrikation von Regenbekleidung, Annastraße 7. Dokumente und Stoffe, 1935-1940

Konvolut aus einem Nachlass, schöner Quellenbestand zur Wirtschaftsgeschichte Pasings. Thema ist die Firma „Nanga Parbat, Martin Waldmann, Pasing, Fabrikation von Regenbekleidung“. Enthalten sind 4 Rechnungsbücher, ein Notizbuch, ein Ordner mit Steuerdokumenten sowie 2 Stoffbahnen.

Als Geschäftsadresse ist die Adresse Annastr. 7 im jüngst eingemeindeten Pasing angegeben. Ab 1938 schreibt das Finanzamt dagegen auch an die Fritz-Reuter-Straße 38 in München-Obermenzing – demnach lebten die Unternehmer in Obermenzing, fertigten aber in Pasing. Im Steuerakt finden sich Unterlagen für das Jahr 1935 eines Schneiders „Alfons Gschöderer, Pasing, Münchnerstr.43“, datiert letztmals auf den 23.10.1935: Wohl hatte man den Betrieb übernommen und unbenannt. Ganz hinten im Rechnungsbuch 1935 findet sich ein Verweis auf die am 1.2.1935 durchgeführte Inventur – das Geschäft bestand also frühestens seit 1934. 1940 wurde der Betrieb kriegsbedingt eingestellt.

Man produzierte anfangs Loden- und Gummimäntel, ab 1937 wohl nur mehr Gummimäntel. Während bis 1936 primär an Einzelpersonen verkauft wurde, machte man ab 1937 das Geschäft auch mit Bekleidungsgeschäften in ganz Deutschland. Das Unternehmen war lukrativ: Während z.B. die Löhne im Juli 1938 ca. 1200, die Materialkosten 3000 und die Miete 66 (!) Mark ausmachten, nahm man ca. 12.000 ein. Im ganzen Jahr 1938 belief sich der Bruttogewinn auf ca. 39.000 RM, 1937 auf 26.000 RM.
Im Steuerakt enthalten sind 2 originale Briefbögen der Firma von 1937, der einzige Hinweis im Konvolut auf den vollen Geschäftsnamen des Unternehmens („Nanga Parbat, Martin….“). Die Buchhaltungsbücher tragen 1937 vorne den Stempel „Martin Waldmann, Regenbekleidung, Pasing, Annastr. 7“. Das Finanzamt schreibt dagegen teils an „Herrn Martin…“, teils an an „Herrn und Frau Martin Waldmann“: War die Gattin Mitinhaberin des Geschäfts, auch wenn ihr Name nicht im Titel des Unternehmens auftauchte?

- 1.2.1935 bis 31.12.1936, Kassen-Buch. 4°, Halbleineneinband, 49 beschriebene Seiten. Verzeichnet sind die monatlichen Einnahmen und Ausgaben. Die Ausgaben reichen z.B. für die erste Seite des Februar 1935 von Miete (25 Mark für Werkstätte, 70 Mark für Laden), Wochenlohn für 5 Angestellte, Zeitungsinserat etcpp. (Gesamt 275.61), die Einnahmen nennen Zahlungen diverser Kunden (312.50). Die Wohnorte der Kundschaften sind vereinzelt angegeben, die Menschen stammten zumeist aus der näheren Umgebung, so Pasing, Laim, Aubing, München. Teils wurde in Heimarbeit gefertigt. Man inserierte am 1.11.1935 im Würmtalboten, im „Tagblatt“ sowie in den Münchner Neuesten Nachrichten. Am 18.4.1936 investierte man 35 Mark in „Kinoreklame“.

- 1937, 3 Kassenbücher Januar bis Juli / August bis November / Dezember. Je gr.4°, kartoniert, je ca. 60 St., 2x komplett beschrieben. Hier ist auf den Einbänden ein Stempelabdruck zu lesen, „Martin Waldmann, Regenbekleidung, Pasing, Annastraße 7 ..“ Die Bücher wurden detaillierter geführt, die einzelnen Posten sind wesentlich genauer genannt. Gekauft wird oft bei „Gummiwerke Elbe“ und „Vulnoplast“ in Bonn. Die bei den Kunden verzeichneten Ortsnamen liegen teils in Oberbayern, teils anderswo in Deutschland. Etliche Bekleidungsgeschäfte kaufen nun bei Waldmann (z.B. „Sport Bock“ in München, „Kamp“ in Augsburg, Sporthaus Rinneberg in Nürnberg, Sporthaus Simader in Passau, „Fritz à Brassard“, Berlin, „Rudolf Türpe“ in Mittweida).

- 1938, 1.1. – 31.12., quer 4°, Halbleineneinband, komplett beschrieben, ca. 200 Seiten. Die Abnehmer sind nun zumeist in Bayen situiert. Am 9.8. repariert Karl Koböck aus Pasing das Auto.

- Notizbuch, 4°, ca. 100 mit Bleistift beschriebene Seiten. Aufgelistet sind „Rechnungen“ vom 3.11.1936 bis zum 22.4.1938. Am Ende ist auf ca. 15 Blatt die jeweilige „Wochenfabrikation“ gezählt. So wurden vom 23. bis 28.11. eines nicht gesagten Jahres 42 Mäntel gefertigt, vom 2.2. zum 7.2. 25, vom 15. bis 21.3. 40 (darunter 6 „Paddeljacken“), vom 10. zum 15.8. 115 Stück, vom 14. bis 19.6. 102, vom 12. bis 18.9. 123, vom 14. bis 19.12. 97. Im ungenannten Jahr waren es gesamt ca. 4000 Mäntel.

- 2 Stoffbahnen wohl für Innenfutter, Gewicht zusammen ca. 1.2 Kilo.

- Aktenordner mit Steuerunterlagen 1935 bis 1940. Enthalten sind
Bilanzen, Notizen und Schriftverkehr mit den Behörden, es geht um die Jahre 1935 bis 1938. Kurioserweise ist im Akt eingeordnet der Gewerbesteuerbescheid 1935 für „Herrn und Frau Alfons Gschöderer, Schneider, Münchnerstr. 43, Pasing“. Weiter hinten finden sich als Notizzettel verwendete Briefbögen von „Nanga Parbat“ sowie von „Gschöderer“ hintereinander im Akt, offenbar hatte man den Betrieb übernommen (war die Ehefrau des Waldmann eine geborene Gschöderer?)
Im Schreiben an das Finanzamt München Land vom 10.7.1940 schreibt die Geschäftsführerin: „Durch Beschluss des Reichsbeauftragten für Bekleidung musste unser Betrieb … per 30. Mai stillgelegt werden. Mein Mann ist seit 7. September v.J. eingezogen und ist … im Westen an der Front…”

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