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> Gandhara
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Jahr: |
ca.200-300 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
9826 |
E-Mail
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Gandhara um 300 n.Chr., Kopf des Buddha, aus Schiefer gemeißelt, ca. 17x13x10cm
In „Gandhara, das buddhistische Erbe” (Zabern 2008) findet sich ein Photo eines ähnlichen Buddhakopfes, nur mit ausgeprägterem Schnurrbart (S.108). Er wurde in Butkara gefunden, man datiert ihn auf 100 n.Chr., seine Höhe beträgt 14.5cm. Seite 214 bringt ein weiteres ähnliches Stück, hier mit unbekanntem Fundort, Datierung auf das 3. bis 4. Jahrhundert und ähnlich schwach ausgeprägtem Schnauzbart.
In „Gandhara, das buddhistische Erbe” (Zabern 2008) findet sich ein längerer Passus zu Typologie und Datierung des Buddha-Bildes aus der Feder der Claudine Bautze-Picron, der hier zitiert sein soll (S. 182-183): „Auch wenn es noch keine abschließende Chronologie der Buddhabilder gibt, lassen sich doch allgemeine Entwicklungslinien ablesen. Eine erste Gruppe von Buddhadarstellungen mit einem regionalen Schwerpunkt im Swattal weist besonders große Ähnlichkeiten mit den Buddhadarstellungen in Mathura [in Nordindien] auf, die im 1. Jahrhundert n.Chr. entstanden sind und von denen sogar einige Beispiele in der Swatregion gefunden wurden. Bei diesem Typus sitzt der Buddha in der Haltung des padmasana, wobei die Beine unter dem Gewand verborgen bleiben. Das Obergewand ist um die linke Schulter gelegt und fällt auf die weitgehend entblößte Brust herab. … Die voluminösen Falten sind durch eingekerbte oder leicht erhabene Linien angedeutet. Der breite Haarknoten mit klar voneinander abgesetzten Strähnen wird von einem sichtbaren Band zusammengehalten. Der Buddha trägt einen Oberlippenbart, seine hervortretenden Augen sind weit geöffnet. Während der Buddha des des Types Mathura die rechte Hand in Schulterhöhe hält, vollführt er bei diesem Typus einen Meditationsgestus, bei dem die rechte auf der linken Hand liegt. … Die nächste Entwicklungsstufe ist ebenfalls im Swattal zu beobachten: Die samghati bedeckt nun vollständig Brust, Arme und Füße, manchmal auch die Hände des Buddha. An Armen und Brust liegt das Gewand in großen, symmetrischen und konzentrischen Falten. … Im Verlauf des 2. Jahrhunderts n.Chr. bildete sich das typischste, gleichsam die „klassische“ Form des Buddhabildes in Gandhara heraus. Dabei kamen stilistische Einflüsse aus dem West zum Tragen, die mit genuin südasiatischen Vorstellungen von Buddha verschmolzen. … Bei diesem Typus ist der Körper unter den schweren Mantelfalten verborgen, die, von der rechten Seite ausgehend, in konzentrische Kurven gelegt sind. Das Gesicht ist gelängt oder im unteren Teil etwas füllig, das Kinn kann vorstehen, die Winkel der zarten Lippen sind leicht eingesunken; der Oberlippenbart tritt bei diesem Typus nicht mehr auf. Unter schweren Lidern sind die Augen schmaler geworden, und im Gegensatz zu frühen Darstellungen, in denen der Buddha nach vorne schaut, ist der Blick hier zu Boden gerichtet. Das Haar ist nach hinten und nach oben gekämmt und verdeckt die Schädelauswölbung (usnisa). …..“
Das Relikt wurde in den frühen 1960er-Jahren von einem deutschen Chemie-Manager erworben. Der Mann lebte mit Familie für einige Jahre in Karachi. Seine Frau erzählte mir, dass man damals als Souvenirs in Pakistan (von Teppichen abgesehen) nicht viel kaufen konnte. So erwarben zahlreiche Mitglieder der westlichen ExPat-Gemeinde Karachis eifrig Relikte von den regelmäßig anreisenden pakistanischen Antiken-Händlern. Diese kamen in die Häuser der Kunden, Teppiche wurden ausgelegt und ein Sammelsurium von Antiken in den Wohnzimmern der vermögenden Westler ausgebreitet. Gegen Bargeld und ohne jegliche Papiere wechselten die Stücke ihre Eigentümer.
Meist stammte die Ware aus der nordpakistanischen Region Gandhara, meist waren dort Tempel und Wandreliefs beraubt worden. So berichteten noch 2003 (wohl pakistanische) Archäologen über den Fundort Jinan Wali Dheri nahe Taxila: „Lange Zeit unternahmen Schatzsucher hier illegale Ausgrabungen. Auf der Suche nach Statuen gruben sie um den Stupa herum Tunnel“. (Zitat nach Gandhara, das buddhistische Erbe Pakistans, S.303).
In Gandhara (einer damals dicht besiedelten Region, die heute größtenteils zu Pakistan, im Osten zu Afghanistan gehört) verschmolzen vom 1. bis zum 5. Jahrhundert nach Christus bildliche Einflüsse des frühen Buddhismus mit solchen des Westens.
Beherrscht wurde Gandhara ab ca. 300 v.Chr. von Graeco-Baktrern, Indo-Skythen, Indo-Parthern, dann ab ca. 100 n.Chr. von den Kushana, einem Clan, der dem aus der zentralasiatischen Steppe entstammenden Volk der Yuezhi angehörte. Kanishka I. nennt sich ihr bedeutendster Herrscher, er regierte von ca. 127 bis 150 nach Christus sowohl in Gandhara als auch in weiten Teilen Nordindiens (darunter auch im Gebiet, in dem Buddha lebte). Ab ca. 350 fiel die Region an das Reich der Sassaniden, ab 500 an die „Alchon-Hunnen“, ab ca. 600 an einen türkischen Stamm.
Bedeutsam ist das Gebiet, da hier die frühen erhaltenen Darstellungen Buddhas und seiner Religion entstanden. Buddha war ca. 380 v. Chr. gestorben, seine Lehre verbreitete sich in den ersten Jahrhunderten ihrer Existenz, ohne dass wir dies anhand von Quellen verfolgen können. Ein wichtiger Förderer des Buddhismus war denn oben genannter Kanishka I., in seinem Herrschaftsgebiet sind gegen Ende des 2. Jahrhunderts v.Chr. Stupas, buddhistische Reliquientempel, nachweisbar. Erste Darstellungen des „Erleuchteten“ (bodhi = Erleuchtung) datieren auf das Jahr Null. Und obzwar die Macht in Gandhara im Laufe der nächsten Jahrhunderte von einem Volk zum anderen wechselte, blieb der Buddhismus bis zum 11. Jahrhundert (als das Gebiet islamisch wurde) die zentrale Religion der Region.
Rätselhaft bleibt erstens, weshalb es in Gandhara in den ersten Jahrhunderten nach Christus zu einem solch immensen Ausstoß von buddhistisch-religiöser visueller Propaganda kam und zum zweiten, weshalb nur religiöse, aber keine staatlichen oder andere Plastiken gefunden wurden und werden.
Textquellen zur Region und seiner Herrscher gibt es kaum. Auch Schriftquellen zum frühen Buddhismus sind sehr selten - und werden erst seit den 1990er-Jahren wirklich wissenschaftlich erfasst: Das „Early Buddhist Manuscript Project“ der University of Washington in Seattle ist hier an erster Stelle zu nennen. Unsere wichtigsten Quellen zur Frühgeschichte von Gandhara und seiner Religion sind also durch die Archäologie gewonnene Erkenntnisse.
Zu Archäologie, Kultur und Kunst Gandharas wurde eine bedeutende Ausstellung konzipiert, die man 2008 bis 2010 in Bonn, Berlin und Zürich zeigte. Der dazu publizierte Katalog (Michael Jansen / Christian Luczanits (Hrsg.): Gandhara, das buddhistische Erbe Pakistans. Katalog zur Ausstellung, Zabern Vlg., Mainz 2008) bringt zahlreiche Informationen zum Thema und ist die vom Antiquar benutzte Sekundärliteratur.
Gandhara „bezeichnet zum einen eine Region und zum anderen einen künstlerischen Stil. Die Kernregion .. war das Gebiet um die heutige Stadt Peshawar … Bezogen auf die Kunst … reicht [das Gebiet] von Kabul bis Islamabad und schließt auch das Swattal ein .. Hier entstanden [ca. im 1. Jahrhundert nach Chr.] … die ersten personifizierten Buddhadarstellungen.“ (S.10) „Da die ‚Wiederentdeckung‘ der Kunst Gandharas ins 19. Jahrhundert datiert, können heute wesentliche Fragen nicht mehr geklärt werden. Die chronologische Zuordnung eines Großteils der Objekte ist z.B. .. problematisch. Nicht nur gibt es für die meisten Funde keine gesicherte Stratigraphie, vielfach ist nicht einmal der Herkunftsort bekannt, sogar die Zuschreibung der inschriftlich datierten Objekte ist oft umstritten.“ (S.13). „Die meisten Objekte wurden so zu kontextbefreiten Einzelstücken. So hat sich kein einziger größerer Zyklus des Buddhalebens – ein Thema, das sich praktisch auf jedem mit Reliefs ausgestatten Stupa Gandharas befunden hat – vollständig bzw. unzweifelhaft rekonstruiert erhalten. Darüber hinaus besitzt etwa die Hälfte der heute in Museen befindlichen Objekte keine gesicherte Provenienz…“ (S. 20).
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