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feldpost-dick.jpg

Jahr: 1943-1945
Bemerkung:
ArtikelNr. 9769

 

E-Mail

Feldpost Johann Dick, Ostfront 1943-1945. Die meiste Zeit haben wir die Schnauze im Dreck...
Konvolut von ca. 80 Feldpostbriefen 1943-1945, geschrieben vom deutschen Soldaten Johann Dick an die Eltern in München und vereinzelt an den Bruder Albert. Teils auf Feldpostbrief-Vordrucken, teils auf Brief- o.ä. papier. Erhalten sind nur ca. 4 Umschläge. Johann (Hans) schreibt mit Bleistift in einigermaßen gut lesbarer Handschrift.
1943: ca. 39 Feldpostbriefe, 20.6. - 21.12., 3x Umschlag.
1944: ca. 30 Feldpostbriefe, 2.1. - 31.12.
1945: ca. 2 Feldpostbriefe, Januar.
Undatiert und nicht leicht zuzuordnen: ca. 15 Feldpostbriefe.

Der dem Krieg und den Nazis äußerst kritisch gegenüberstehende Münchner Johann (Hans) Dick kommt im Juni 1943 an die Ostfront. 1943 dient er in der motorisierten Panzer-Artillerie, scheint meist in einem PKW zu fahren. 1944 gehört er weiterhin zu einer Batterie, dient oft als Funker, manchmal bei der Infanterie - und überlebt alle Gefechte und Rückzüge des Jahres. Als am 12.1.1945 die „Weichsel-Oder-Operation“ der UdSSR einsetzt, steht er bei Modlin nahe der Weichsel. Sein letzter Brief datiert vom 17.1.1945.
Unten einige Zitate. Schreibfehler wurden nicht korrigiert.
20.6.1943: „Liege zurzeit im Einsatz an der Miusfront. Ausser vereinzeltes Artilleriefeuer ist es sehr ruhig, den ganzen lieben Tag wird nichts als geschanzt (Beschäftigungteorie) ….“
1.7.1943: „Ich .. liege seit 5 Tagen im Revier hinter der Front bei einem Russen. Das ist eine dumme Geschichte, den ganzen Tag war mir schon so übel u. Nachm. um 3 Uhr klapte ich zusammen. Ein paar Tage vorher hatten wir das erste Artilleriefeuer, .. es war halb so schlimm, zwar war es eine leichte Sprize, die uns beaste (etwa 7,5), um 11h kamen dann einige schwere Brocken. .. Mir machte es Spass, eine Abwechslung in dieser verdammten, langweiligen, stumpfsinnigen Einöde. … Albert, was treibst Du? Musst Du jetzt in diesen stock… [unles.] verbissnen Arbeitsdienst, wenn ja, dann schon im Voraus mein herzlichstes Beileid. Es ist alles ganz grosser Bockmist. Wie ist es mit den Bombenangriffen? .. Die Herren Engländer müssen ja in Massen einfliegen. …“
22.7.9143: „Wir wurden nämlich aus der Miusfront herausgezogen und in Richtung Charkow losgehetzt. Nördlich davon angelangt, mussten wir wieder kehrd machen, fuhren die gleiche Strecke nämlich über Glawio...morsk an die Miusfront zurück. Sind jetzt in mehr nördlicher Richtung seit 3 Tagen eingesetzt. Es herrschen hier sehr schwere Kämpfe. Haben tolle Artillerie- und Fliegertätigkeit. Luftkämpfe sind wunderbar zu beobachten…“
25.7.1943: „Vor einigen Tagen war ich in der Feuerstellung, das ist die Batterie mit der wir schießen, als Fernsprecher eingesetzt. Musste von hier das Feuer leiten. Wir bekamen dort mehrfach täglich verheerenden Zunder. Es gab einen Toten und mehrere Verwundete. .. Anscheinend muss ein Brief von mir … nicht angekommen sein. Ich erläuterte in diesem, das ich mich in einer Panzerbatterie befinde, die einer Panzerdivision unterstellt ist. … Wie ist die Stimmung? Was sagt ihr zu Sizilien?“
26.7.1943: „Was sagt ihr zu Italien? Das ist doch die Spitze. Mussolini abgedankt, sowas schlägt doch dem Fass den Boden aus. … Bei uns herrscht richtige Friedensstimmung. .. Die Russen warfen Flugblätter, in denen schon so etwas verlautet wurde. …“
29.7.1943: „Wie ihr wohl auch wünschen werdet, ist das mit Italien hoffentlich der Anfang vom Ende. Es kann sich höchstens noch um Jahre handeln (was sehr fatal wäre). Ihr schreibt, dass es Hans in Grossmehring .. nicht mehr gefällt, wahrscheinlich aus kämpferischen Gründen, um sich vielleicht das hölzerne Kreuz zu erwerben, sein 2 Doppelzentner Lebendgewicht für den Endsieg aufs Spiel zu setzen. ...“
30.7.1943: „Meine Tätigkeit in der Panzerbe-Batterie ist ‚Aufnehmen‘. Ein sehr geschätzter Posten. … Letzthin wollten wir einen Pfurz aufnehmen, konnte aber wegen zu schlechter Hörbarkeit … nicht ausgewertet werden. .. Im Übrigen braucht ihr keine Angst um mich auszustehen, wir sind doch noch ein ganzes Stück hinter der Infanterie.“
31.7.1943: „In der Frühe soll eine Offensive gestartet werden. Leichte und schwere Panzer, darunter auch einige Tiger, werden in Bereitstellung gebracht. Seit dem frühen Morgen donnern die Stukas über uns hinweg….. Die Flak schoss am Nachmittag mehrere Bomber ab. Allerdings … knallte am Morgen eine He111 herunter.“
5.8.1943: „Die allgemeine Stimmung ist mäßig, wie ihr euch denken könnt. Die Offensive dürfte auch zu Ende sein. Wir haben am Mius die Hauptkampflinie wieder erreicht, der Russe macht verzweifelte Gegenangriffe. Es sieht verheerend aus, wie hier die Toten im Massen, manchmal auch die Verwundeten umherliegen. ...“
9.8.1943: „Mit der Aussicht auf den schönsten Kriegsschauplatz, Belgorod-Orel versetzt zu werden … schreibe ich. …. Die Russen werden uns sowiso, ob früher oder später, zur Sau machen. ….“
20.8.1943: „.. die Nähmaschine setzt eben in der Nähe einige Bomben ab. Man fühlt sich hier im Wagen einigermaßen sicher. ..“
21.8.1943: „.. befinden uns immer noch an der an der selben Stelle südlich Bjelgorod. … Es ist mit dem Gong 15h, ich stelle mit Zufriedenheit fest meine Wache ist zu Ende, im nächsten Augenblick werde ich meinen Kumpel aus Solingen wecken zur Ablösung, das ist ein unliebsames Geschäft, er wird mich mit verschlafenen Augen anstarren und fragen, was ist los? Meistens lautet die Antwort, der Hindenburg ist gestorben. ...“
30.8.1943: „Zurzeit bin ich zum Leitungsbau verurteilt. Man hat hier wenigstens seine Ruhe, wenn man auch tagelang … mit einer Rückentrage auf dem Bukel durchs Gelände hatscht. …“
12.9.1943: „Ich wurde zu einem Funklehrgang, der 8 Wochen dauern soll … zu einem Lehrbataillon versetzt.“
10.11.1943: „Bin seit einigen Wochen wieder in eine große Bisterei geraten. Befinde mich seit dieser Zeit mit diesem Haufen im Infanterieeinsatz eingesetzt, bei Kriwoi Rog. Ihr werdet ja von den Kämpfen hier gelesen haben. Ich kann nur sagen, es ist eine ganz große Scheiße.“
22.11.1943: „Befinde mich immer noch bei Kriwoi Rog im Einsatz. … Es gibt sonst weiter nichts neues, außer das der Russe jeden Tag stark angreift … anscheinend will er noch bis zum Winter … die Ukraine haben …., die Hauptsache ist das wier bald aus der … Scheisse herauskommen.“
28.11.1943: „Sitze immer noch im Dreck….. Schreibe diesen Brief von meinem Erdloch aus… Von Zeit zu Zeit nimmt man auch die Spitzhacke zur Hand u. buddelt an seinem Graben soweit das der böse Feind erlaubt weiter….“
7.12.1943: „Befinde mich seit einigen Tagen in der Etappe acht km hinter der Front. Werde wahrscheinlich zur Nachrichtentruppe als Funker versetzt….“
24.12.1943: „Bin heute zum Gefreiten befördert worden..“
1.2.1944: „Befinden uns wieder auf dem Weg zur Front… Seid nicht erbost dass ich so lange nicht schreiben konnte, das liegt … daran … dass wir jetzt zur Hälfte motorisiert und das Übrige bespannt ist…“
8.2.1944: „… Wir befinden uns unweit von Uman, fahren seit Tagen immer den Bug entlang…“
6.4.1944: „Seit einem Monat kommt man wieder einmal dazu, zu schreiben. Unterdessen sind wir in den Karpaten gelandet. Gesundheitlich habe ich die bisherigen 600km ausser den Füssen leidlich überstanden. Wir befinden uns jetzt in Bestritza in Ungarn an der Grenze von Rumänien…“
8.6.1944: „Wie Euch ja die begonnene Invasion bekannt sein dürfte; was sagt Ihr dazu?..“
1944 ca., undat: „Sonst gibt es im Osten nicht neues, in Anbetracht der Lage werden wir uns wahrscheinlich in Bälde vom Feinde elastisch wie ein Gummi und siegreich und planmäßig wie immer absetzen müssen.“
8.7.1944 [Stargard]: „Ausser dass gestern Stettin bombadiert wurde, nichts neues. ...“
17.7.1944: „Ich hoffe doch, dass Ihr bei den letzten Angriffen verschont geblieben seit. Es dürfte doch ratsam sein, das ihr etwas aus der Gefahrenzone verduftet. … Der Grund, warum ich in letzter Zeit nicht geschrieben habe, war ein 10tägiger Lazarettaufenthalt. … handelte sich um Malaria. … In nächster Zeit werden wir wieder zum Einsatz kommen. Also machts gut und folgt dem Rat eines billigen Gefreiten.“
10.9.1944: „Morgen um diese Zeit hat unser Transport wahrscheinlich Stargard verlassen Richtung Osten….“
17.9.1944: „Befinden uns wieder im Einsatz, nordöstlich Warschau, es gibt ganz gehörigen Zunder.. Werde mich soweit möglich verdünnisieren, denn so kurz vor Torschluss einen kalten Arsch zu bekommen, liegt nicht in meiner Absicht…“
20.9.1944 [an den Bruder Albert]: „Befinde mich wieder im Einsatz und zwar nördlich Warschau. Dass es hier nicht sehr human zugeht, kannst Du Dir vorstellen. Die meiste Zeit haben wir die Schnauze im Dreck. … Aber im Vertrauen gesagt, das heisst Du brauchst nichts den Eltern zu schreiben, habe ich mich schon mit dem Schlimmsten abgefunden. Du kannst es vielleicht nicht glauben, mit welchem Materialeinsatz der Iwan kämpft, dem wir kaum etwas entgegenzusetzen imstande sind. ..“
24.9.1944 [an den Bruder]: „Alles für den Endsieg! Übrigens, da wollten sie einen prüfen, ob er ein richtiger Kamerad ist, zu diesem Zweck schissen sie ihm jeden Morgen in die Stiefel, dieser ohne zu klagen liess sich das gefallen, das ging so etliche Tage, bis sie überzeugt waren, dann sagten sie ihm, er wäre bei ihnen aufgenommen und von nun an falle diese Tätigkeit weg. Jener spricht dann ganz lässig: Gut, wenn ihr mir nicht mehr in die Stiefel scheisst, dann schiff ich auch nicht mehr in den Kaffee. … Zwar etwas ordinär, aber wir sind ja schließlich im sechsten Kriegsjahr. Wenn ich in Frankreich wäre, würde ich jetzt sagen, sei froh, dass Du ein Bett unterm Arsch hast. Für heute Schluss und Auf Wiedersehen in Texas!“
11.10.1944: „Alberts letzten Brief vom soundsovielten erhalten, in welchem erwähnt wurde, dass unser alter Herr in den Volkssturm miteingekehrt [?] wurde. Hoffentlich nicht zu den 50 Mann Panzern, 49 Mann schieben, 1 „schiesst-“daneben. … Sonst gibt es im Osten nichts neues. Meine Handschrift ist zu entschuldigen, ich schreibe unter erschwerten Umständen.“
30.10.1944: „… ich sitze im Bunker vor dem Feldfernsprecher 33, heisst deswegen so, weil er im Jahre der Machtübernahme in die Wehrmacht eingeführt worden ist. Habe Telefonwache. Versuche, … meinen Kumpel, der den nächsten Posten hat, zu wecken. Ob mir das gelingt, ist eine andere Frage, denn bei der Menge des Alkohols, den der genossen hat, ist das kein Leichtes ….“
13.12.1944: „Das ist übrigens der erste Brief, den ich nach dieser Zeitspanne [4 Wochen] dazukomme zu schreiben. … Bin jetzt .. in der Gegend von Elbing, das gestern vom Russen genommen wurde. Man glaubt, je mehr man nach Westen kommt, desto zivilisierter und kultivierter müsste es werden. Davon keine Spur, im Gegenteil. … Bei Kraudenz [richtig: Graudenz] war ich auch wieder einige Tage im Infanterieeinsatz und habe mit dem Iwan Mufftituchfühlung genommen. Konnte nur feststellen, dass er sich ziemlich frech u. respektlos gegenüber den Germanskis gebärdet…“
14.12.1944: „.. Wie ihr ja wissen werdet, befinde ich mich immer noch bei dem Brückenkopf in der weiteren Umgebung Modlins nördlich Warschau. Zur Zeit ist es fast zu ruhig bei uns. … Es werden laufend Bunker gebaut. …“
9.1.1945: „.. Ein Wachtmeister meines Haufens ist übrigens kurz vor Neujahr nach München in Urlaub (Bombenurlaub) gefahren. Sollte bei uns sowas ähnliches vorliegen … so bitte ich mir … mit Bestätigung von alten Parteispezis [gemeint ist wohl die NSDAP-Kreisleitung, die Bombenschäden schriftlich bestätigte] zu schreiben. …“
17.1.1945: „Liebe Eltern! Wenn Ihr mich fragen solltet, wie es mir geht, so kann ich nur sagen, gut. Habe sehr wenig Zeit. Euch weiterhin alles Gute. Herzliche Grüße Euer Hans.“ Der Brief datiert auf den 17.1.1945, Poststempel erst 15.2.1945!

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