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Jahr: |
1904-1913 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
8851 |
E-Mail
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Dokumente einer Lehrerin, München 1904-1913. Schule an der Türkenstr. 68 etc
Konvolut aus einem Familiennachlass zu Rosa Kunkel (1888-1981). Rosa war die Tochter des Adam Kunkel, eines Ökonomen an der Königlich Bayerischen Kriegsschule und wuchs in München im Areal der Schule in der Blutenburgstrase 4 auf.
Rosa wollte Lehrerin werden, sie absolvierte von ca. 1904 bis 1907 eine Ausbildung am Englischen Institut in Augsburg. Von 1908 bis 1913 arbeitete sie als Hilfslehrerin in Altötting und München, im Februar 1914 absolvierte sie als Kandidatin des Volksschuldienstes ihre Anstellungsprüfung und erzielte Platz 42 von 161. Dennoch endete 1914 ihre Arbeit als Lehrerin. Weshalb Rosa danach keine Anstellung erhielt und den Lauf ihres Lebens änderte, ist unbekannt. Ein Photo in ihrem Photoalbum (das hier gezeigt ist), zeigt sie jedenfalls 1914 als Schülerin eines Kochkurses. 1915 heiratete sie und brachte von 1917 bis 1921 3 Söhne zur Welt. Dass sie den Traum eines selbständigen Lebens für immer begraben musste, verbitterte die Frau ganz offenbar, denn ihr weiterer Lebensweg verlief unruhig: 1932 verließ sie nach friedloser Ehe ihren Mann, schickte ab 1928 die 3 Söhne ins Jesuiteninternat und lebte bis zum Tode 1982 alleine. Ausser Haus gearbeitet hat sie offenbar nie mehr.
Im Konvolut enthalten sind interessante Quellen zum Schulleben des frühen 20. Jahrhunderts – und indirekt zur Emanzipation der Frau.
- Ca. 20 offizielle Schreiben: Schlusszeugnis der „Prüfungskommission für die Seminarschlußprüfung der an klösterlichen Privat-Lehrerinnen-Bildungsanstalten vorgebildeten Kandidatinnen in Augsburg, dat. 18.7.1907. Rosa hatte am Englischen Institut in Augsburg gelernt und hat sich erfolgreich der Schlußprüfung unterzogen / Schreiben des Innenministeriums an die Schuldienstexpektantin Rosa K. bzgl. Gesuch um Aufnahme in der oberbayerischen Lehrverband, dat. 25.11.1908; Rosa wird aufgenommen und zur Schulpraxis zugelassen / Prüfungszeugnis 2.6.1909 bzgl. französischer Sprache / Schreiben des Magistrat der Stadt München, dat. 3.8.1909, Rosa wird in das Verzeichnis der „Bewerber um Hilfslehrerinnenstellen“ eingeschrieben / Abschrift eines Schreibens der Regierung von Oberbayern, dat. 4.8.1909. Rosa wird „in Ermangelung einer ausreichenden Zahl von männlichen Hilfslehrkräften“ ab 1.9.1909 als Hilfslehrerin an die Knabenschule Altötting berufen / Schreiben des Magistrats München bzgl. der Stelle in Altötting, dat. 14.4.1909 / Schreiben der Regierung von Oberbayern, dat. 22.7.1910. Rosa wird als Hilfslehrerin „an die hiesige Volksschule“ berufen / Abdruck eines Schreibens des Magistrats der Stadt München, dat. 8.8.1910, Inhalt wie vor / Schreiben der Lokal-Schulkommission der Stadt München, dat. 2.8.1911. Rosa soll mitteilen, ob sie an der Anstellungsprüfung 1911 teilnehmen will / Abschrift eines Schreibens des Innenministeriums betr. Anstellungsprüfung, dat. 2.9.1911. „Dem Zulassungsgesuche ... vermag keine Folge gegeben zu werden“, da sie ein Jahr zu wenig gearbeitet hat; sie soll sich 1912 wieder bewerben / Schreiben des Magistrats der Stadt München, dat. 6.4.1912, Rosa wird „ihrer Bitte ... entsprechend ... aus dem Lehrverbande entlassen ...“ / Abschrift eines Schreibens der Lokalschulkommission der Stadt München, dat. 17.1.1913. Rosa wird an die Volksschule in der Alfonsstraße berufen / Schreiben der Regierung von Oberbayern, dat. 4.2.1913. Rosa wird an die hiesige Volksschule berufen. Dazu: „Im Jahre 1913 haben Sie sich der Anstellungsprüfung zu unterziehen“ / Zeugnis der im Jahre 1913 abgelegten Anstellungsprüfung, dat. 12.2.1914. Rosa erzielte den 42. Platz von 161 geprüften Kandidatinnen.
- Diverse private Dokumente 1909-1911, oft als Schmierzettel verwendet und deshalb archiviert: Vordruck „Schlußprüfung der Werktagsschule 1911“, Rechnen Knaben / Brief des Bezirksoberlehrers, 1.7.1907: „Schon seit Wochen warte ich auf die beiden nachzuliefernden Arbeiten ...“ / Witzzeugnis für Rosa, ausgefüllt wohl von Kollegin Voglbeer 1911 an der „Schule an der Türkenstraße 68“ (Bemerkungen: „Während der Konferenzen fehlt es an der nötigen Aufmerksamkeit & der gebührenden Ehrfurcht vor dem Schuloberhaupt“) / Stundenplan II. Kurs von Kgl. Lokalschulinspektion Altötting, undat. / Jahresplan für die Fortbildung des Lehrpersonals an den Münchner Volksschulen für 1908-09 / Prüfungsfragen für Frauenarbeitsschule II. Klasse, Rechnen, ca. 1908 / französischer Text der Prüfung für Lehrerinnen der neueren Sprachen 1909 / Stundenplan der Schule an der Türkenstraße 68, Schuljahr 1910-11.
- Handschriftliche Hefte 1909-1913, die im Zuge der praktischen Ausbildung sauber von Rosa beschrieben wurden (je 4° ca. 10-20 Seiten, Schule an der Türkenstraße). 5 Hefte „Monatsziele“ bzgl. einzelner Schulfächer, undat. / 13 Hefte „Lehrprobe“, „Aufsatz“ o.ä., 1909-1913, je wohl vom Bezirksoberlehrer bewertete und korrigierte Aufsätze vom „Fortbildungsbezirk München“, Schule an der Türkenstraße. Themen z.B. „Welche Bedeutung haben geographische Kenntnisse für allgemeine Bildung?“, „Der Harz“, „Wie kann das Prinzip der praktischen Arbeit im heimatkundlichen Unterricht durchgeführt werden?“, „Der Mond“, „Ernst und Frohsinn im Schulleben“, „Der Schreibbuchstabe K“.
- Ca. 30 Blätter mit handschr. Notizen zu Prüfungsaufgaben etc., teils in Gabelsberger Steno.
- von Hand beschriebenes Buch, Einband betitelt „Englisches Institut Augsburg, 3. Präp. Kurs 1905“ (ca. 150 sauber beschriebene Seiten, 8°, Rücken lädiert). Enthalten sind „Aufsätze und Diktate“, dat. 1904-1905
- von Hand beschriebenes Buch, Einband betitelt „Lehrsätze aus der Geometrie“ (ca. 150 sauber beschriebene Seiten, 4°), undatiert (wohl ebenso 1904-1905).
- Programmzettel eines Theaterstücks, das das Institut der Englischen Fräulein in der Antoniuskirche in Augsburg aufführten, Rosa hat die wichtigste Frauenrolle (ein gedrucktes Blatt, 8°, undat.).
- 3 handschr. Texte der Rosa, 1905-1908.
- 3 s-w-Abzüge (1x Gruppenbild, aufgenommen vom Atelier Gebrüder Martin aus Augsburg und gelaufen 1910 als AK an Rosa (mit Papphülle des Ateliers), 1x Carte de Visite, 1x Sterbebild 1981).
- Photoalbum, enthalten ca. 18 s-w-Abzüge 1917-1918, Rosa mit Familie.
- Umschlag, enthalten ca. 100 Briefe „an die Mutter“, ca. 1904-1924, ohne Umschlag. Am 26.10.1910 schreibt Freundin und Lehrerin Stephanie aus Altötting: „Also die Schule mit ihren Vorbereitungen und Korrekturen nimmt einen großen Teil ihrer Zeit in Anspruch!“. Am 15.1.1911 schreibt sie: „Der Kampf der Lehrerzeitung gegen den Episkopat wird natürlich auch in unseren Gauen eifrig unterstützt. In der Dezember-Konferenz in Neuötting fand nach Abfertigung des amtlichen Teiles eine geschlossene Versammlung der Mitglieder des bay. Lehrervereines statt. Das Resultat: Absendung eines Vertrauensvotums an Schubert! ... Es ist sehr traurig, daß sich die Lehrerschaft so renitent gegen die Obrigkeit benimmt.“ Ein Telegramm wünscht am 4.4.1914 „alles Gute zum Schulschluss“.
- ca. 50 Ansichtskarten an Rosa, die manchmal mit „Hilfslehrerin“ und „Lehrerin“ im Adressaten betitelt wird, ca. 1907-1909.
(c) Ingo Hugger 2020 |
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