Vivarium
> Deutschland 1933-1945
> Briefe
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Jahr: |
1946 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
7830 |
E-Mail
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Otto A. Friedrich, maschschr. Brief an Ex-Reichskanzler Heinrich Brüning in Harvard, 5.11.1946
Maschinenschriftlicher Brief, 4°, 9 Blatt (je einseitig beschrieben und durch Klammer fixiert), mit handschr. Korrekturen, am Ende mit handschr. Signatur, lichtrandig und falzig und etwas fleckig, letztes Blatt lose, sonst guter Zustand. Friedrich (1902-1975) schreibt an „Dr. H. Brüning, Graduate School of Public Administration, Harvard University, Cambridge Massachusetts”. Gemeint ist der ehemalige (1930-1932) Reichskanzler Heinrich Brüning (1885-1970). Im Text geht es um Deutschlands momentane Situation, Demokratisierungschancen, Kriegsschuld und Besatzungsprobleme. Friedrich antwortet auf ein Schreiben des Brüning. Vorliegender Brief wurde – vielleicht wegen der ca. 10 Korrekturen - nicht verschickt.
Besonders interessant sind die Passagen zu Deutschlands Kriegsschuld. In gewohnter Manie versucht auch F., den deutschen Hauptanteil am Kriege zu beschönigen, und Reparationszahlungen zu negieren - kommt denn bzgl. der Zukunft jedoch zu visionären Folgerungen (S.8): „Deutschland sollte sich daher als das Herzland Europas berufen fühlen, Vorkämpfer eines dauerhaften europäischen Friedens zu werden und damit eine geschichtliche Schuld abtragen, die es durch die Mitverursachung früherer Kriege, besonders des letzten, auf sich geladen hat. Ich möchte damit kein moralisches Urteil zur Kriegsschuldfrage abgeben. Mögen die anderen selbst ihrer Mitschuld inne werden. Aber es lastet ein Fluch auf Deutschland. So verwickelt die Ursachen der letzten Kriege gewesen sein mögen, der Schein und häufig auch die Tatsachen haben gegen uns gesprochen. Wenn Deutschland jetzt eine Brücke der Verständigung zwischen Osten und Westen schlägt, und bedingungslos für den Frieden in Europa eintritt ... so liefert es Deutschland und der Welt einen größeren Ausgleich für die furchtbaren Folgen des letzten Krieges, als es sie durch materielle Reparationen leisten könnte, und schafft sich eine neue sittliche Stellung in der Welt. ... Jeder Deutsche muß begreifen, daß keine Waffensiege unseren Schild von den Taten reinigen können, mit denen wir uns im letzten Kriege befleckt haben ... Unsere Ehre kann nur wiederhergestellt werden, wenn wir mit allen Mitteln einen Frieden verteidigen, der .... soziale Gerechtigkeit und Freiheit in sich schließt.“
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