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Jahr: um 1920
Bemerkung:
ArtikelNr. 7692

 

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Hans Stubenrauch: Ein Schicksal. Zyklus von 9 Original-Handzeichnungen um 1920

Hans Stubenrauch: Ein Schicksal. 9 originale farbige Gemälde auf Karton à ca. 40x50cm, etwas fleckig, Löchlein in Ecken vom Aufhängen, Kanten partiell minim fransig, V mit Kratzern, VI mit Flecken, VIII mit kleinen Abplatzungen, XI mit Flecken und Abplatzungen, sonst schön und jeweils unten vom Künstler handsigniert. Die Bilder wurden vom Künstler auf die Kartonagen mit Wachsstift, Bleistift und teils Ölfarbe oder Gouache gemalt und unten mit einem Gedicht versehen. Dazu findet sich unten und verso die handschr. Zahl „530“. Verso wurden die Stücke je mit Urhebername und Nummerierung versehen (vom Künstler?) und die Bildformate (sicher vom Maler Max Vogt Vilseck) notiert.

Die eindrucksvollen Bilder zeigen einen alten Mann, der sich um 1600 frustriert in graue Berge zurückzieht und dort eine schöne rothaarige junge Frau trifft. Nachdem die Frau den Protagonisten nachts nackt aufgesucht und bei Tage ein Geständnis abgelegt hat, stürzt sie sich in die Tiefe. Wahrscheinlich fertigte Stubenrauch die Illustrationen und Texte für ein Buchprojekt oder für im Ackermann Verlag projektierte Kunstansichtskarten. Der Zyklus fand sich im Nachlass des Malers Max Vogt-Vilseck, der entweder mit S. befreundet war, oder die Bilder einst erstanden hatte.

Die Gedichte zu den Bildern lauten: Bild I: „Mit der Welt zerfallen, verlästert von allen / zieh ich zu Berg / ohne Leben und Hassen, will ich dort fassen / mein letztes Werk“. II: „Ringsum mich starren jähe, steile Wände / kein Laut stört hier die stille Einsamkeit / die Welt liegt unter mir, so weit, so weit / die Brücke brach, dass heim ich nimmer fände“. III: „Durch die Einsamkeit der Felsenwüste / schwankt ein müder, düstrer Zug / dumpf und schwer, kein Auge grüsste / von den Gebannten, die das Leben schlug“. IV: „Und dann zuletzt, fernab der düstren Schaaren / ein junges Weib, in Fetzen das Gewand / mit wunden Füssen und voll Blut die Hand / und Blut an ihren schönen, roten Haaren“. V: „Ihr Schritt verweilt, und ganz in meiner Nähe / lehnt sie sich an die Felswand zurück / sie schaut empor und aller Welten wehe / lag in dem einen Blick“. VI: „Zieht der Bergwelt helle Nacht / leise durch den Raum / hat ein süsses Bild gebracht / in meinen Traum“. VII: „Das Traumbild blieb, auch als die Nacht entschwunden / ein armes Weib kniet hier in bittrer Qual / ab Hand und Fuss noch bluten ihre Wunden / die auf der Folter schlug des Henkers Beil“. VIII: „Ein wilder Schrei dann über bleiche Firne / ein Schrei der sich gequälter Brust entrang / jetzt wars gesagt, was allzulang / verschwiegen war und schuldbewusst neigt sich die Stirne.“ IX: „Über der Unendlichkeit der Welten steht erhaben / eines Menschen Herzens wilder Schmerz / wenn wir alle Hoffnung erst begraben / geht die Bahn unhaltbar niederwärts.“

Ob hier Autobiographisches oder Gesellschaftspolitisches künstlerisch thematisiert wird, bleibt unklar. Bild 1 zeigt im Hintergrund städtische Würdenträger und Bewaffnete in Kluft um 1600, dahinter sieht man einen Scheiterhaufen. Möglicherweise geht es Stubenrauch um die jahrhundertelange Unterdrückung der Frau (auch in Form von Hexenverbrennungen) und um dem weiblichen Geschlecht und Rothaarigen im Speziellen von der männlichen Gesellschaft aufgezwungene Gewissenbelastungen.




Hans Stubenrauch (1875 Aschau im Chiemgau – 1941 Murnau) war Maler, Illustrator und Autor. Seit ca. 1902 wurden Werke ihm in deutschen Zeitschriften gedruckt. Er arbeitete für die Jugend, für Meggendorfers Zeitschriften und für die Fliegenden Blätter. Dazu kamen Buchillustrationen und Mappenwerke und Bilderbücher (z.B. Bilder zu Fritz Reuters Werken, Eckstein 1902, Fritz Reuter: Aus der Franzosenzeit, Dietrich 1909; E.T.A. Hoffmann: Klein Zaches, genannt Zinnober, Dietrich 1918; Wilhelm Hauff: Phantasien im Bremer Ratskeller, Dietrich 1918. Zschokke: Hans Dampf in allen Gassen, Dietrich 1918. Hans Bauer: Sächsisches Allerlei, Bergmann 1925; Else von Steinkeller: Wanderdünen. Union 1939; Martha Roegner: Der Weg in die Heimat. Eine Geschichte von Kindern und Tieren für die Jugend erzählt, Anton ca. 1940, Puff-Puff. Ein neues Eisenbahnbilderbuch, 1927; Wilde Tiere. Ein neues Bilderbuch, 1927; Tatü-Tata, um 1930, je erschienen bei Hausser in Ludwigsburg).

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