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> Kochbuch
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Jahr: |
1806 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
7268 |
E-Mail
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Handschriftliches Kochbuch 1806 der Gerichts-Prokuratorin Anna Freundl aus Zwiesel
Handschriftliches Kochbuch, 4°, fester Kartoneinband, ca. 170 Seiten, Einband fleckig und mit Abschabungen und Falzen, Fehlstelle am Rücken unten, Stoffschließen fehlen, Kanten eingedrückt, erste Blatt mit Eselsohr, Block mit schwacher mittiger Falz, das (unbeschriebene) Blatt 2 mit sauber ausgeschnittenem Drittel, sonst gut. Beiliegend Zettel mit zusätzlichen Rezepten (8°, 4 Seiten). Blätter 1 bis 81 recte bringen Rezepte, 81 verso einen Menü-Speiseplan („Kuchel Zetel“), Bll. 82-84 recte die Inhaltsangabe, 84 verso mit Bleistift geschriebene Pfannkuchen-Rezepte.
Das faszinierende Buch ist in wundervoller gleichmäßiger Handschrift mit Tinte geschrieben, die Blätter sind sauber paginiert. Im ganzen Buch findet sich kein einziger ausgebesserter Schreibfehler. Auf Blatt 3 steht: „Kochbuch. Welches der Wohledlen Frauen Anna Maria Freundlin [,] Königliche Gerichts-Prokoratorin, Dann bürgerliche Marktschreiberinn in Zwiesel angehörig im Jahr 1806“. Ob Freundl Gerichts-Prokuratorin und Marktschreiberin war oder die Gattin eines Prokurators und Marktschreibers, ist unklar. War die Autorin eine der seltenen weiblichen professionellen Schreiberinnen im Deutschland der Goethezeit?
Es überwiegen in dem Buche die Süßspeisen, eines der längsten Kapitel widmet sich Torten, Kuchen, Plätzchen. Die Gerichte scheinen oft der böhmischen und österreichischen Küche entlehnt – es läuft einem das Wasser im Munde zusammen. Verblüffend ist, dass 1806 in Zwiesel Schildkröten zum Speiseplan zählten.
Im Folgenden sind die Überschriften und einige Rezepte angeführt:
Blatt 1-6 recte: „Verschiedene Suppen zu machen“: Königs Suppe, Fisch Suppe, Französische Suppe, „Sardellen Suppen über das Rindfleisch oder sonst was mann will“, „Ein Hechten in einer pollnischen Suppe zu machen“, Fasten Suppe, „Suppen von gestossenen Tauben“, „Suppe von gestossenen Kalb-Fleisch“, Kräuter-Suppe, Suppe von Gersten-Schleim, Hiendl Suppe, Französische Suppe über einem Fisch, Karpfen in einer Bauern Suppe, Suppe über gesottene und ... Fische.
6 verso - 7 : „Verschiedene Eyer-Schmalz“: Französische, gefülltes, Schießl Eyer-Schmalz, Schoberl E.Sch., Geschnittene Eyer-Speis, Gebackene.
8 – 12 recte: „Unterschiedliche Pastetten auf eine Tafel“: Gerben Pasteten, Krebs-, „Süsse Raum [Rahm?] Pastetten, so auf die Nacht zu geben sind“, „Guter Pastteten Teig“, Mandel-, „Ein Marben Teig ohne Eyer“, Teig mit Eyer, „Teig zu verschlagenen Pastteten oder Krapfen“, „Englisch marben Teig“, „Französischze Pastteten Teig“, Wildpraed Pastteten, Schnizel-Pachtteten, Aufgesetzte P.
12 verso – 14 recte: „Unterschiedliche Brühen zu machen“.
14 verso – 20 recte: „Verschiedene Krapfen zu machen“: Hier das bislang längste Rezept: „Gebundene Rohrkücheln“ (2 Seiten).
20 verso - 23: „Verschiedene Nudeln“.
24 - 27: „Verschiedene Müsser“ („Mousses“ schriebe man heutzutage wohl).
28 – 33: „Unterschiedliche schöne Sulzen“. So z.B. Quitten-Sulz, „Schokoladi-Krenn“ und „Schokolade Sulz“, Fleisch-Sulz.
34 – 35 recte: „Verschiedene Holler Hüppen zu machen“.
35 verso – 48 recte : „Verschiedene Dorten zu machen“.
48 verso – 63 recte: „Unterschiedliche Koch-Künsten zu machen“. So z.B. „guten Sallat von gelben Rüben“, „Vaschierte Hiendl“, „Frigierte Kälber Füße“, „Fisch-Schlägel“, „Fasten bratwürst“, „gefüllte Karminardeln“, „Englische Milchen“, „wie man die Schildkrotten koche“, „Stock-Fisch mit sauren Milchraum“, „die Gugumelen einzumachen“, „Wienerische Gallatschen“, „Fische auf jüdische Art absieden“, „wie man das rothe und schwarze wildprett lang und viel auf behalten mag“.
63 verso – 68 recte: Unterschiedliche Künsten, auch andere vom Zucker gemachte und eingesottene Confecten“.
68 verso - Ende: „Allerley Bilder oder Früchten von drayant zu machen“. So z.B. „Marzipan Lebzelten und laibl“, „gute Weinträublein zu machen“, „Aneis Kücheln“, „kaltes Butter Mus“, „Mandl-Schmarben“.
Der „Kuchel-Zetel“ bringt ein Diner, welches auf 5 „Aufträgen“ à je 3-4 Gängen und am Ende „Caffe mit Liquer“ besteht.
(c) Ingo Hugger 2020 |
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