Vivarium
> Kulturelles
> Erotik
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Jahr: |
1922 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
5644 |
E-Mail
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Tresckow, Hans von: Von Fürsten und anderen Sterblichen. Erinnerungen eines Kriminalkommissars. F. Fontane und Co., Berlin 1922. 8°, fester Kartoneinband, 240 Seiten, eine s-w-Abb. auf Schmutztitel, 1.-9.Tsd., Einband berieben und fleckig, am Rücken unten mit grösserer Läsur, schiefgelegen. Das Buch enthält so spannende Kapitel wie z.B.: Die Homosexuellen; Der Fall Krupp (S. 126-132), Der Kaiser und die Hofkamarilla; die Sensationsprozesse, Internationaler Mädchenhandel.
Zu Tod und Homosexualität des Friedrich Alfred Krupp (1854-1902), des Sohnes von „Kanonenkönig“ Alfred Krupp (1812-1887), liefert der Kommissar spannende Details.
So heisst es auf S. 127: „... Ich selbst hatte Krupp zufällig wiederholt beobachtet, wie er Abend für Abend in einer Loge des Sommertheaters, das ich öfters besuchte, saß und den dort auftretenden Ringkämpfern mit gespannter Aufmerksamkeit zusah. Ich machte mir natürlich meinen Vers daraus, denn es war doch auffallend, daß ein so vielbeschäftigter Mann wie Krupp Zeit und Vergnügen daran fand, stundenlang diesem rohen und unfeinen Sport zuzusehen. Ich wußte ferner durch den Besitzer des Hotels Bristol, Kommerzienrat Conrad Uhl, in dem Krupp während seines Berliner Aufenthaltes ständig zu wohnen pflegte, daß er ein ganz merkwürdiges Interesse an jungen Kellnern nähme und [man IH] ihm diese gar aus Italien zuschicke, um sie im Hotel Bristol zu plazieren. Uhl hatte mir ganze Stöße von Briefen gezeigt, die Krupp an ihn geschrieben und in denen er sich nach dem Befinden seiner Schützlinge erkundigte. Er machte Uhl sogar Vorschriften, was er ihnen zu essen geben sollte. Er forderte ihn auch auf, darauf zu achten, daß sie in jeder Woche ein Bad nehmen sollten u.ä. ... Auffallend war auch, daß er nie mit seiner Frau, wenn diese ihn nach Berlin begleitete, in demselben Hotel abstieg. ...“
Krupp hatte nach dem am 15.11.1902 erfolgten Abdruck eines Artikels im „Vorwärts“, der ihn homosexueller Umtriebe auf Capri bezichtigte, am 22.11.1902 Selbstmord begangen. Tresckow schreibt indes verschämt, daß K. durch einen Betäubungsmittel-„Unfall“ gestorben sei. Die Hochachtung vor dem Namen Krupp reicht in Deutschland indes bis in die Gegenwart: Der deutsche Wikipedia-Artikel (Stand 10/2011) will sich zu Homosexualität und Suizid des Krupp nicht festlegen. Die englischsprachige Dependance dagegen nimmt kein Blatt vor den Mund.
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