cassiodor.com


Vivarium | Über uns | Impressum | Datenschutzerklaerung | AGB 
Vivarium > Militaria > 1914-1918 > Feldpost

telefonistIR343.jpg

Jahr: 1915-1917
Bemerkung:
ArtikelNr. 5366

 

E-Mail

Feldpost und Fotos. Telefonist beim Stab, IR 343. Ostfront 1915-1917

Konvolut von gesamt 53 Feldpostschreiben aus einem Nachlass. Jeweils berieben, staubig, sonst gut. Dazu 2 s-w-Abzüge, welche den Protagonisten zeigen.

Willi Müller, geb. 5.6.1894 in Neuruppin, hatte sich als Kriegsfreiwilliger 1914 gemeldet und als Infanterist einen unangenehmen Winter durchlebt. Der Schriftwechsel setzt indes erst am 12.5.1915 ein, Willi Müller dient an der Front im Gut Komonino als Telefonist im „Regts.-Stab Höbel“, Division Wernitz. Am 20. Juli kehrt er von einem Heimaturlaub zurück, am 1.8.1915 wird seine Einheit umbenannt in Infanterie-Regiment 343 (86. Inf.Div., 17. Reserve Armee Korps). Im Sommer/Herbst des Jahres erlebt Müller den großen Vormarsch nach dem Sieg bei Gorlice-Tarnow. Von Oktober 1915 bis mindestens Ende Februar 1916 ist er in Nikolajew stationiert. Im Juli 1917 berichtet er von einem Funkentelegraphie-Lehrgang.

Willi Müller schreibt an seine Eltern und die Schwester. Die Vorlagen sind eng in sauberer Handschrift zumeist mit Bleistift beschrieben. Müller scheute sich 1915 kurioserweise nicht, Funkspruch-Vordrucke, die er als Telefonist nutzte, für private Zwecke zu entfremden. Dennoch scheint er ein gewissenhafter Spezialist gewesen zu sein, dem die Vorgesetzten großes Vertrauen entgegen brachten. 1918 war er vielleicht zum Unteroffizier aufgestiegen (sicherlich Gefreiter) und arbeitete beim Leitungsbau des Stabes seiner Einheit (IR 343).
Als Angehöriger des Stabes erlebt er den Krieg oft von einer angenehmeren Seite denn seine Kameraden im Schützengraben. Beschreibungen der teils üppigen Verkostung der Stabsmitglieder machen einen Gutteil seiner Briefe aus.
Der einseitig überlieferte Schriftwechsel ist sicherlich nicht komplett erhalten. Es macht den Anschein, als seien eher zufällig 3 zusammenhängende Teile aufgehoben worden (1915 5-12, 1916 1-3, 1917 7). Von 1918 ist leider nur ein einziges Schreiben vorhanden.

Die Stücke fanden sich in dem Photo- und Dokumentennachlaß einer Familie aus Neuruppin, der um 2006 bei Ebay ersteigert wurde. Willi Müller war der Sohn des Gastwirts Wilhelm Müller aus Neuruppin, welcher das 1892 gegründete „Gasthaus zur Prignitz“ (später Schäfer-Müller) betrieb. Willi übernahm nach dem Kriegs die Gastwirtschaft und führte sie bis ca. 1955.


Feldpost 1915 (ca. 28 Schreiben)
12.5.1915, Gut Komonino (auf Vordruck Fern-/Licht-/Funk-Spruch, 4°, ein Blatt, voll beschrieben): „Gestern Abend erhielt Paket No. 2. Herzl. Dank! Sende nun gleich den Karton zurück mit einigen kleinen Bildern. Daraus könnt Ihr ein wenig von unserer Gegend kennen lernen! Wo ich mich allein photographieren ließ schien die Sonne so sehr, daher konnte ich die Augen kaum aufmachen. ... Werde mich aber noch einmal abnehmen lassen. .. Eure Briefe schreibe ich jetzt immer in aller Frühe. 4.30 bin ich schon am Gange. ... Gestern Abend kam Artillerie durch unser Dorf mit Musik, einige Trompeten und ein Baß! Da haben wir uns mal wieder im Walzertakt gedreht. Auch nach der Melodie „Wenn der Frühling kommt“. Es war gar nicht wie im Kriege.“
13.5.1915, Gut Komonino´(8°, 4 beschriebene Seiten): „Heute hat mich der Kamerad, den ich ablösen muß um 5 geweckt, konnte so also noch eine halbe Stunde länger schlafen. Zuerst habe ich die übliche Morgenmeldung erledigt, mich dann schön gewaschen und dann meine heisse Milch getrunken u. Kekse u. Käsestulle dazu gegessen. Um ½ 9 wurde ich dann abgelöst. Darauf im Garten angekommen, legte ich mich auf eine wollene Decke ins Gras und bald war ich eingeschlafen und träumte von Euch ... Von uns fährt heute wieder einer nach Graudenz, um Einkäufe zu machen. Habe ihm einen russ. Ausbläser für euch mitgegeben, den er in Graudenz in eine Kiste legen wird u. an euch adressieren wird.
18.7.1915, o.O. (Feldpostvordruck, 2 eng beschriebene Seiten. Kein Feldpoststempel, handschr. vom Soldaten ausgefüllt „Telefonist Wilhelm Müller, Rgt. Stab Hoebel, Armeekorps v. Kastrow, Division v. Wernitz): „Hinter Chichanow. Meine Lieben. Mit Gottes Hilfe gesuund u. munter angelangt. Aufnahme sehr freundlich. Viel Arbeit vorgefunden. Heute geht’s weiter! ...“
20.7.1915, o.O. (8°, ein voll beschriebenes Blatt): „...Ich bin mit meinen Aparaten [sic] schon voll und ganz wieder vertraut. .... Wir sind jetzt in einem schönen großen Gut. Wir bekommen jeden Tag soviel Fleisch, wie sich fast keine Familie in der Heimat erlauben kann. ...“
21.7.1915, (Feldpostvordruck wie vor).
22.7.1915, o.O. (4°, 2 Blatt, eng beschrieben): „... Am Ausgang des Dorfes stand eine Kolonne von Lastautomobilen, die gleich uns nach Chikanow wollte. Im letzten Moment fragte ich noch den Führer der Kolonne, ob ich um Mitnahme bitten dürfte. Er gab mir die Erlaubnis und im Nuh war ich auf einem der Wagen. Die Fahrt ging los. Wie die Fahrt war, kann man kaum beschreiben. Ich schwebte mehr in der Luft als ich stand. ...“
28.7.1915, o.O. (4 eng beschriebene Seiten, 8°): „... Ein schauriger Anblick, wenn man aus dem Schützengraben übers Schlachtfeld in die verlassene feindliche Stellung geht. Die feindl. Stellung war gerade besät von Leichen und Gliedmaßen der Russen. So etwas Schauriges habe ich in meinem Leben auch noch nicht zu sehen bekommen. Alle anderen Kämpfe u. Gefechte die wir hatten waren kaum mit diesem zu vergleichen. Wir werden auch alle Tage von der feindl. Artillerie beharkt. Aber bis jetzt ist noch alles gut gegangen. Vorgestern, am Sonntag, ging schon alles am frühen Morgewn vor, alle Stäbe. Wir kamen mit den Reserven in einem Wald zu liegen. Gleich, nach dem die Truppen gegessen hatten, setzte ein feiner Regen ein, deer bald alles durchnässte, obwohl wie Zelte aufgebaut hatten. Regen ist für unsere Telefonaparate das Schlimmste, was es gibt. ...“
29.7.1915, o.O. (Feldpostvordruck wie vor, mit Feldpoststempel „K.P.Feldpostexp. a Div.Wernitz“).
1.8.1915, o.O. (3 Blatt Funkspruchvordruck, 8°, eng beschrieben).
3.8.1915, o.O. (Feldpostvordruck wie vor, mit Stempel).
9.8.1915, o.O. (Feldpostkarte mit Poststempel).
10.8.1915, o.O. (Feldpostvordruck ohne Stempel): „.. Wir dringen am Bug immer weiter vor!“
11.8.15, o.O. (8°, 2 Seiten).
12.8.1915, o.O. (Feldpostvordruck mit Stempel): „Am Waldrande in Russland. ... Bei dem schönen Wetter lässt es sich ganz gut laufen, bin auch sehr gut auf den Beinen. Wenn ich nur Zigaretten hätte. ... Ich habe keinen Tornister und kein Gewehr zu tragen. Beides liegt gut verpackt auf dem Wagen. Und wenn ich selbst müde vom laufen bin, dann gehe ich auch noch auf den Wagen. Die armen Kameraden sind gerade nicht zu beneiden. ...“
23.8.1915, o.O. (Stellungskrieg! 2 eng beschr. Blatt, 8°): „... Unser Unterstand hier im Graben, den wir gestern geg. Abend noch schnell gebaut haben, ist ja nicht sehr groß und geräumig, immerhin für die Nacht bietet er einen angenehmen Aufenthalt. ... Die Märkische Zeitung bekomme ich fast regelmäßig. ...“
25.8.1915, o.O. (8°, 4 Seiten): „Unsere Nachbarartillerie hat soeben mehrere fette Salven nach dem Feinde geschickt. Die Herren werden schön staunen, wenn diese Liebesgaben zu so ungelegener Zeit dort hintreffen. Aber es schadet nichts, denn er hat uns in den letzten Tagen auch feste beharkt, sodaß wir für kurze Zeit alles stehen und liegen lassen mussten um hinter einer kleinen Höhe Deckung zu suchen. Eine Male vor unserem Graben schlugen auch einige Dinger von der Schwarzen Sau [wohl ein Geschütz] ein, die aber Gott sei Dank keinem etwas taten. Unseren Unterstand, den wir hier haben, dürft Ihr Euch nicht etwas groß und geräumig vorstellen, sondern nur [als] ein kleines überdecktes Loch. Man kann wohl ganz bequem darin liegen, aber nicht einmal sitzen. Wenn man sich auf den Boden setzt, so muß man den Kopf immer noch einziehen, damit man ja nicht die Decke einstößt. Dafür ist aber recht angenehm warm u. das Flohbeißen um so größer und schöner. ...“
16.9.1915, o.O. (2 eng beschr. Blatt, 4°, Vordruck Funkspruch): Auf 3 Seiten beschreibt M. eindrücklich einen russischen Artillerieüberfall auf seine in einem Dorfe deckungslos versammelte Truppe.
24.10.1915, Nikolajew (4°, Vordruck Funkspruch, ein Blatt).
20.11.1915, Nikolajew (8°, 4 Seiten).
5.12.1915 (8°, 2 Blatt).
14.12.1915, Feldlazarett (8°, 4 Seiten). Ein Zahn wurde gezogen.
15.12.1915, dito (8°, ein Blatt).
16.12.1915, dito (8°, 2 Blatt).
19.12.1915, dito (Feldpostkarte, Stempel „Feldpostamt d. XVII. Res.Korps“ und Stempel „Feldlazarett 130, 17. Reservekorps“).
24.12.1915, dito (8°, 2 Blatt): „... Heute Vormittag war Se. Exzellenz v. Wernitz im Lazarett u. hat uns allen ein frohes Fest gewünscht. In uns. Saal sprach er mich als ersten an. Erkundigte sich nach meinem Befinden. Fragte auch, wo ich her bin. Nach der Antwort fügte er lachend hinzu: Ach so daher wo Gustav Kühn seine Bilderbogen macht.“
28.12.1915, dito (Feldpostkarte mit farbigem Bild recte, Stempel).
30.12.1915, Nikolajew (2 Blatt Vordruck Fern-Spruch, je 4°).
31.12.1915, dito (Vordruck Feldpostbrief, mit Stempel).

Feldpost 1916 (14 Schreiben):
5.1.1916, Nikolajew (8°, ein Blatt): „... Unsere Telefonanlage ist hier um ein Bedeutendes verbessert. 2 Klingel- u. 2 Summer-Apparate [sic] schmücken jetzt uns. Station. In nächster Zeit sollen wir sogar ein Klappenschrank bekommen. Es macht Spaß, wen man auch mit den neuen Sachen arbeiten kann. ...“
8.1.1916, dito (8°, ein Blatt): „... Heute Abend war ich m. einigen Feldw. [Feldwebeln] zu einem Juden, wo 3 nette, dünne, schmucke aufgeputzte Judenmädels sind. W´Bis gegen 1/1 11 haben wir hier die Herrschaften veräppelt u. dann sind wir abgezogen.“
11.1.1916, dito (8°, 2 Blatt).
13.1.1916, dito (8°, ein Blatt).
16.1.1916, dito (8°, 2 Blatt): „... Wir, die wir vom Stabe sind, können uns ja diesen Tag [den Sonntag] noch ein wenig anders vertreiben. So machte ich es auch heute! Von unserem Feldwebel kaufte ich mir am Vormittag eine Flasche Rotwein (3M) auch eine Slter u. labte mich daran. Nach dem Dienst, 2.00 Uhr Nachm., fertigte ich für meine Kameraden u. mich Eierkuchen von 11 Eiern an. Diese wurden dann mit Marmelade überstrichen, die wir im Überfluß haben, u. verzehrt. Dann folgte für mich eine schöne, ungestörte Mittagsruhe! Den Rest des Tages verbrachte ich im Klreise der Kameraden bei heißem Glühwein, der von angefangenem Rotwein hergestellt wurde. Ihr könnt daraus ersehen, daß es mir noch ganz gut hier geht! Wir haben z.Zt. 6 Apparate zu bedienen, die uns in manchen Stunden des Tages rege Beschäftigung bieten. ...“
20.1.1916, dito (8°, 2 Blatt).
21.1.1916, dito (Feldpostkarte, 2 Feldpoststempel: „Feldpostexped. der 86. Inf.Div.“ und „Briefstempel, Infanterie-Regiment Nr. 343“).
26.2.1916, dito (8°, 2 Blatt): „... Unsere Offiziere, mit denen wir alle Tage viel zu tun haben, sind eben sehr empfindlich. Sowie eine Verbindung gefordert wird, muß sie auch schon da sein. Keiner will warten. ... Dann muß auch noch berücksichtigt werden, daß auch noch andere Offiziere die Leitungen benutzen. ... Wir haben hier keinen leichten Stand. 3 Offz. Mit ihren Grillen und Launen wollen zu jeder Tageszeit zart behandelt werden. ...“
6.3.1916, o.O. (4°, 2 Blatt).
8.3.1916, o.O. (8°, 2 Blatt).
19.3.1916, o.O. (Vordruck Feldpostbrief, 2 Stempel).
30.3.1916, „im Unterstand, wo es klickt und tropft, tagelang“ (8°, 2 Blatt).
3.4.1916, o.O. (8°, 2 Blatt).
5.4.1916, o.O. (Feldpostbrief mit 2 Stempeln wie oben): „... In dem feuchten Unterstand wohnen wir jetzt nicht mehr, sondern in einem anderen des selben Lagers. Wir mußten für einige Tage Sr. Exzellenz v. Adriani, Brigade Kommandeur, den Platz einräumen. Soviel aber schon bekannt ist, werden wir ev. Morgen schon, ihn wieder beziehen. Wir werden dann alles recht schön in Stand setzen und wenn es beginnt, gemütlich zu werden, werfen sie uns heraus! Unsere schönen anheimelnden Quartiere in N. [Nikolajew?] haben wir auch ungern verlassen. Die Judenmädchen haben uns auch ungern fort gelassen, denn die Teebuden bringen doch so manchen Groschen. ...“

Feldpost 1917 (10 Schreiben)
11.7.1917 (8°, 2 Blatt).
13.7.1917 (8°, 2 Blatt): „... Ich bin Teilnehmer am Kursus der Funkentelegraphie ... Voraussichtlich ist mein Bleiben hier 4 bis 6 Wochen in der Etappe; dann geht’s wieder zurück. Dann soll ich eine Funkenstation besetzen, wozu mir noch ein Mann zugeteilt wird. ...“
15.7.1917 (8°, 2 Blatt).
20.7.1917 (8°, 2 Blatt).
24.7.1917 (8°, Feldpostbrief-Vordruck).
25.7.1917 (8°, 2 Blatt).
27.8.1917 (8°, Feldpostbrief-Vordruck).
2.9.1917 (8°, Feldpostbrief-Vordruck).
13.11.1917 (8°, 2 Blatt).
16.11.1917 (8°, 2 Blatt).

Feldpost 1918 (ein Schreiben)
22.3.1918 (8°, Feldpostbrief-Vordruck, 2 Stempel): „... Ich bin mit meinen Leuten jeden Tag beschäftigt, das Leitungsnetz im Abschnitt auszubauen, was mir Freude macht. ... Auch von den Vorgesetzten werden die Arbeiten anerkannt ...“

Die s-w-Abzüge je auf 9x13cm-Postkarten-Photopapier. Einmal ein Portrait vor Zeltbahnen (verso steht: „Dir mein liebes gutes Muttchen zum Geburtstage von deinem stets treuen u. dankbaren Sohn Willi, Januar 1918“), einmal im Sitzen in einem Zimmer („Für meine liebe Tante u. Großmama zum Andenken von Willi, Neuruppin 29.10.18“).


(c) Ingo Hugger  2020 | livre@cassiodor.com