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Jahr: 1939-1943
Bemerkung:
ArtikelNr. 5035

 

E-Mail

RAD-Feldpost 1939. 5/305, Unterthingau (Allgäu). Leutnant 1943, Gren.Ers.Btl. 358, Vogesen.

Konvolut von 16 Feldpostschreiben aus einem Nachlass. 12 Briefe und 3 Karten schickte der junge Helmuth Megele 1939 an eine aus München stammende Frau, einen Brief 1943. Etwas berieben, sonst guter Zustand. Die Briefe teils ein-, teils mehrseitig. Erhalten sind 3 Umschläge, davon 2 von 1943. Dazu ein RAD-Gruppenphotos à 6x9cm und ein Bild der Vereidigung.

Megele berichtet von seinem Arbeitsdienst-Einsatz bei 5/305 in Unterthingau und vom Ernteeinsatz in Riezlern. Anfang Oktober 1939 wird er zur Wehrmacht eingezogen und kommt zum Infanterie Ersatz Bataillon 468 nach Füssen (Bothmer-Kaserne). 1943 ist er Leutnant.

Der erste erhaltene Brief datiert auf den 11.5.1939, den Beginn der Dienstzeit. Einige Zitate aus späteren Schreiben:
26.5.1939: „... Im Arbeitsdienst muß man den kleinsten Handgriff selbst tun. Man ist sein eigener Schuhputzer, sein eigener Flickschneider und sein eigener Diener. Auch die Kleidung muß man sich selbst waschen. ... Das einzige, was uns jetzt fehlt, ist Schlaf. Da wir nur 15 Mann sind, kommt jeder jeden dritten Tag auf Wache und wenn man auf Wache kommt, muß man 40 Stunden ohne Schlaf aushalten. Denn um 5.00 wird geweckt, um 20.00 beginnt die Wache; sie dauert 24 Stunden; am nächsten Tag um 22.00 ist Bettruhe. ... Da ich als einziger von der Lagerwache einen Sanitätskurs mitgemacht habe, bin ich als Vertreter des Heilgehilfen und in leichten Fällen als der des Arztes aufgestellt. Und da stecke ich den ganze Tag im Untersuchungszimmer, ordne die Buchführung, tippe Wiegelisten auf der Maschine, oder verbinde. ... Sechs Stunden habe ich Zeit bis ich dann von 24 bis 2 Uhr zur Wache komme. Solch eine Nachtwache hat es in sich. Zwei lange Stunden muß man dann in fortdauernder Wacht mit dem Spaten durch das Lager patroullieren, jeden Augenblick poltert man über ein Hindernis, wenn man sich noch nicht auskennt. ... Ich bin noch nie ausgewesen. Was soll man auch schon machen in diesem Nest. Die einen betrinken sich Sonntag für Sonntag, andere laufen jeder Schürze nach. Außer diesem verwerflichen Zeitvertreib gibt es nur noch 2 Möglichkeiten: Entweder sich tödlich langweilen oder sich selbst beschäftigen. ...“
10.9.1939: „... An dem Tag, an dem ich Ihre lieben Zeilen erhielt, hatten wir eben wieder unseren ersten Baustellentag und mit jedem Spatenstich sank meine Stimmung tiefer, da bekam ich mittags Ihren Brief. Wir hatten nun lange Zeit Bereitschaft und unsere Aussichten fortzukommen, wuchsen von Tag zu Tag - da waren sie mit einem Mal wieder vernichtet. Nachdem unser Ausscheiden auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben ist wollen wir wenigstens auch fort vom Lager und an dem grossen Geschehen unmittelbar teilnehmen. Nicht etwas aus Begeisterung für Krieg und Kampf, sondern mehr oder minder aus einem inneren Anstandsgefühl heraus. Die meisten von uns wissen über Väter oder Brüder an der Front und wollen diesen nicht nachstehen. Während dessen sind wir gezwungen, untätig hier zu sitzen und unsere Kraft für nahezu sinnloses Exerzieren und unwichtige Erdarbeiten zu verwenden. ... Sie schreiben so ganz anders als die meisten anderen Menschen. Den meisten Briefen merkt man jetzt eine gewissen Kriegspsychose und ein Zagen an. Doch aus Ihren Zeilen spricht ein grenzenloses Vertrauen in die Führung. ...“

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