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tzschoppe.jpg

Jahr: 1937-1941
Bemerkung:
ArtikelNr. 5030

 

E-Mail

Feldpost 1937-1942, Hauptmann Artillerieregiment 65, Stalingrad

Konvolut von Feldpostbriefen aus dem Nachlass einer Frau. Enthalten sind hier 40 Schreiben, die ein Günther Tzschoppe von 1937 bis 1943 geschrieben hatte. Dazu kommen 4 Briefe, die jene Frau an ihn schrieb und die zurückgesandt worden waren.
Gesamt ca. 30 Briefe, 9x mit Umschlag (Umschläge je mit Briefmarken und Stempeln) und ca. 10 Karten. Berieben, sonst guter Zustand. Die Briefe teils ein-, teils mehrseitig. Feldpostnummern: 12803, ab 5/1942 O 1369-C.

Günther und Gudrun lernten sich wohl in der ersten Jahreshälfte 1937 kennen, als der aus Löbau stammende Mann in München an der Kriegsschule stationiert war. Im ersten erhaltenen Brief (20.7.1937) berichtet Günther vom harten Dienst auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr, am 6.8.1937 ist er wieder in München auf der Kriegsschule und erzählt von einer langweiligen Pionierstunde. Im Oktober 1938 wurde er wohl bereits zum Offizier befördert, am 11. des Monats beginnt seine Tätigkeit als Ausbilder in Mühlhausen (Thüringen).
Den Krieg erlebt Günther am Westwall (er ist 1939 nicht in Polen eingesetzt), in Frankreich, auf dem Balkan und in Rußland. 1939 wird er Abteilungs-Adjutant, er dient in einer motorisierten Abteilung der schweren Artillerie. 1940 dient er als Batteriechef in Polen, 1942-43 an der Ostfront. Im November 1942 wird er zum Hauptmann ernannt.
Kurioserweise erzählt er im Ganzen drei Mal von lebensgefährlichen Autounfällen, die ihm zustiessen.

Der Adressat wird 1942/43 mit seiner Truppe im Kessel von Stalingrad eingeschlossen. Die 3 rückgeschickten Briefe tragen 2x handschriftliche Vermerke („nicht zustellbar, an Absender zurück, 20.4.43 König Obgfr.“, „Nicht zustellbar, a. Abs. zurück 22.4. Me“, ) und einmal einen Stempel („Neue Anschrift abwarten, ZURÜCK“, 22.11.1942).

Das letzte Schreiben schickte Gudrun an die Mutter des T. und erhielt ihn ungeöffnet zurück in einem Umschlag mit Beibrief der Mutter (24.4.1943).

Die Schreiben verteilen sich auf die Jahre:
1937: 9 (Grafenwöhr, Würzburg, München, Mühlhausen, Löbau).
1938: 10 (Mühlhausen, Löbau, Jüterborg, Ostseebad Schilksee, Niederösterreich, Frauenwald, Isergebirge).
1939: 7 (Mühlhausen, Goltsch-Jenikau, Beuron, Hohenmauth, Westwall, OU, Kaiserslautern).
1940: 5 (OU, Frankreich, Polen).
1941: 4 (Balkan, Ostfront).
1942 (Ostfront, 5x T. an Gudrun).
1943 (5x, 1x Postkarte T. an G., 4x G. an T.)

17.8.1937: „... So war ich am Sonnabend im ‘Haus der Deutschen Kunst’, das einen ganz phantastischen Eindruck auf mich gemacht hat. Umso erschütternder war aber dann der Eindruck, den die Ausstellung ‘Entartete Kunst’ auf mich hinterließ. Hier ist der ganze Schund und Schmutz der Malerei der Nachkriegsjahre zusammengetragen und man steht vor den meisten Bildern wie vor einem Rätsel und weiß nicht, was man daraus machen soll. .... anschließend interessierten uns ‘Frauenlaunen’ (so hieß nämlich der amerikanische Kitschfilm, in den wir aus Versehen geraten waren). Dieser Film vervollständigte das Bild, das wir von der entarteten Kunst bekommen hatten, 100%ig. ...“
13.10.1937: „... Ich habe mich so langsam hier [in Mühlhausen] eingerichtet und warte auf die Rekruten, die Anfang Noveber eintreten und deren Ausbildung ich als Rekrutenoffizier zu übernehmen habe. ....“
6.11.1937: „... Die ersten Rekruten sind da, fertig eingekleidet, und ich stehe nun ab Montag vor diesem Haufen von 100 einfältigen und dummen Kerlen und soll versuchen, sie geradezubiegen und aus ihnen Soldaten zu machen. ... Ich wurde plötzlich abberufen, da ich als Verbindungsoffizier zur HJ zu einer Kundgebung mußte. ...“
23.12.1937: „... und fahre jetzt neuerdings viel mit dem Motorrad oder Kaftwagen im Gelände herum. Im Winter ist es allerdings manchmal mit Schwierigkeiten verbunden und es kommt nicht selten vor, daß ich mit meine Motorrad ausrutsche und dann irgendwo im Graben lande. ... So wurden wir in der vergangenen Woche offiziell vom Oberbürgermeister im Rathaus der Stadt Mühlhausen empfangen. Im Anschluß daran mußten wir uns in das goldene Buch der Stadt eintragen ....“
12.6.1938: „... Ich bin nämlich seit Anfang Mai hier in Jüterborg ... auf dem Übungsplatz ... und am Wochenende fährt man ann die wenigen Km nach Berlin und stürzt sich dort in das ‘aufreibende Nachtleben’. Allerdings habe ich die Nase von Berlin schon restlos voll, denn etwas derartiges von Schmutz und Schlechtigkeit findet man, glaub ich, kaum jemals in einer deutschen Stadt wieder. .... Du kennst doch den netten Witz, wonach die eine Hälfte von Deutschland gerade im Umbau begriffen ist und die andere Hälfte gerade umbenannt wird. ...“
28.3.1939: „... Ich habe den letzten Feldzug in die Tschechei mitgemacht und sitze jetzt in einem kleinen Kaff ca. 100km südostw. Prag. Am 10. März wurde plötzich ein Teil unserer Division alarmiert, keiner wußte warum, und die tollsten Gerüchte von Memelland, Tunis, Tschechei, Ukraine schwirrten durch die Gegend. In Eilmärschen gng es dann nach Schlesien .... Dann kam der Einmarsch. Er war ganz anders als der im Herbst in das Sudetenland. Bei dem Hermarsch hatte ich noch einen tollen Unfall. Der Wagen kam auf einer vereisten Straße ins Rutschen, rutschte seitwärts auf den Sommerweg und überrollte sich zweimal seitlich und blieb dann auf dem Dach liegen. Ich fand mich 20m entfernt vom Wagen liegend wieder. 4 Arbeiter stellten den Wagen wieder auf die Räder, auf den Anlasser gedrückt und weiter gings mit dem reichlich demolierten Wagen. ...“
10.12.1939: „.. Wir liegen jetzt hier auf dem Hunsrück in einer ärmlichen, gottverlassenen, trostlosen Gegend ... Ich bin jetzt Adjutant in meiner Abteilung und habe dadurch schrecklich viel zu tun. .... Bei diesem ewigen Herumliegen wissen die meisten Leute nicht, was sie tun sollen. Dann werden vor Beschäftigungstheorie die Fahrzeuge kaputtgeputzt, die Sachen zerbürstet und es springt nichts Positives heraus. ....“
2.6.1940: „.. Also an dem bewußten 10. Mai lagen wir schon kurz vor der luxemburgischen Greze und gingen mit als 1. schwere Artillerie nach Luxemburg. ... Wir kamen auch in kurze Gefechte südlich Luxemburg, bei Esch, wurden dort aber sehr bald herausgezogen, um den weiteren Vormarsch unserer Truppen Richtung Calais zu unterstützen. Wir freuten uns schon auf das Meer, als wir plötzlich abgedreht wurden und bei Sedan eingesetzt wurden, wo es sehr mulmig aussah. Wir haben dann dort die Maginot-Linie mit durchbrochen, haben manchen Sturm auf mehrere Panzerwerke mitgemacht, und unter all diesen teilweise nicht leichten Käpfen den Anschluß an das nach Westen marschierende Heer verpasst. Nun liegen wir noch hier, in leichte Abwehrkämpfe verwickelt ...“
11.9.1940 [„in Polen, am Ende der Welt“]: „... Wir fühlen uns hier in diesem Dreck wie in den Kolonien in Afrika, nur daß statt der Schwarzen hier zerlumpte und dreckige Juden und Polen herumlaufen. ....“
5.11.1940: „.. Ich bin seit einiger Zeit ehrwürdiger Batteriechef und diese Arbeit macht mir natürlich viel mehr Freude, als die Adjutantentätigkeit. ...“
22.8.1941: „... Nach dem sehr interesssanten und schönen Feldzug in Griechenland waren wir eine kurze Zeit zur Reparatur unserer Kraftfahrzeuge in Deutschland in der Nähe von Dresden, ehe wir dann hier nach dem Osten verschoben wurden, wo dann kurz darauf der Ostfeldzug begann. Seitdem haben wir schon manche harten und schweren Kampftage hinter uns, und die Feldzüge in Frankreich und im Südosten erscheinen uns dagegen wie K.D.F.-Reisen. ...“
11.1.1942: „...Ich hatte das Glück, das Weihnachtsfest mit meiner Batterie in Ruhe feiern zu können und habe das auch ausgiebig, froh und unvergeßlich getan. Jetzt stehe ich allerdings wieder in Eis und Schnee im äußersten Süden an der Front mit feuerbereiten Rohren. ...“
Ostern 1942: „... Den Anfang des Jahres verbrachte ich mit meiner (Stadt) Batterie als Küstenbatterie am Asowschen Meer, als wir plötzlich weiter im Norden, im Donezbecken in wildesten Schneestürmen, in Eis und Schnee, gegen den Russen geworfen wurden und ihn in harten Winterkämpfen zurückschlugen. Es waren schwere Tage, die aber jetzt ... wieder vergessen sind. Nur die stolze Erinnerung, auch dabei gewesen zu sein, ist zurückgeblieben. ... Im Augenblick stehen wir an der Donezfront in Stellung. Die Front ist infolge des Tauwetters erstarrt und die Russen haben ihre wütenden Angriffe eingestellt. ... Man erlebt ja so wenig hier draußen, was Wert hätte, der Heimat berichtet zu werden. Das, was uns hier draußen zusammenschließt und das Leben wertvoller macht, die Kameradschaft, das Aushalten, die Tapferkeit, ist alles Männersache. ...“
17.7.1942: „... Wir sind auf dem Vormarsch nach Osten, mit mehr oder weniger starkem Feindwiderstand, und hoffen, den Russen endgültig zusammenschlagen zu können. ...“
29.10.1942: „Für 3 liebe Briefe .... danke ich dir .. herzlich. Eigentlich wollte ich dir schon lange darauf antworten, aber wir liegen seit August vor Stalingrad in derartig schweren Kämpfen, daß für eine Privatbeschäftigung .... keine Zeit vorhanden war. ...“

Aus dem Beibrief der Mutter des T.: „... daß Günther mit seiner 5. Batterie in Stalingrad mit eingeschloßen worden ist. Wir haben vom 3.1. die letzte Nachricht von ihm erhalten. Trotz zweimaliger Verwundung, erst Oberarmdurchschuß, dann im November Granatsplitter am Kopf, ist er stets .. bei seinem Haufen geblieben. 2 ¼ Jahre hatte er keinen Urlaub mehr gehabt und sollte ihn im November erhalten, da starb von seinem einzigen Offizier der Vater, und Günther ließ diesen auf Urlaub fahren. Sie können sich denken, wie groß unsere Sorge um unseren Jungen ist. Eine kleine Hoffnung bleibt nur noch. Er kann ja noch gefangen genommen worden sein, denn es sollen ja ungefähr 75.000 Mann in Gefangenschaft geraten sein. ...“

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