Vivarium
> Deutschland 1933-1945
> Briefe
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Jahr: |
1943 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
5005 |
E-Mail
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Brief mit Umschlag, Marke Ostland. Kowno / Kaunas - München. Ostsiedlung 1943
Ganzsache. Maschinenschriftlicher Brief im Umschlag, verfasst am 4.7.1943, gelaufen am 13.7.1943. Mit 12-Pfenning-Briefmarke nebst Aufdruck „Ostland“. Etwas berieben, sonst guter Zustand.
Es schreibt eine Ilse S. an eine in München lebende junge Frau. Ilse wohnt in der Putvinskiostrasse in Kauen (Kaunas) im sog. Ostland und ist vielleicht die Gattin eines Verwaltungsbeamten. Da Zeugenaussagen zum Thema der kurzen Periode der nazideutschen Ansiedlung im Osten kaum bekannt ist, stellt der Brief eine nicht unbedeutende Quelle dar.
Im erschütternden Schreiben heisst es: „... Im Moment sitze ich mal wieder ohne richtiges Mädchen - nur eine 17jährige NSV-Helferin als Hilfe. Die Schwierigkeiten werden immer grösser - meine einzige Chance ist jetzt noch, daß ich bald eine Russin aus einem Lager bekomme. Wenn die sich dann gut anlässt, bin ich gerettet. Es will halt gar nicht mehr so recht gehen mit dem Arbeiten - die Beschwerden werden immer grösser und ich bin langsam müde geworden. .... Es wäre hier wohl erträglich, wenn das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Deutschen etwas besser entwickelt wäre - es gibt aber nur noch Cliquenwirtschaft. .... Denk dir, mir ist durch ein Mädchen, das ich nur kurze Zeit hatte, entsetzlich viel gestohlen worden, was ich weggelegt hatte, weil ich jetzt nichts tragen konnte. Fast alle Strümpfe sind weg, mein Bisammantel und sehr viel Kindersachen. Die Haussuchung war erfolglos - die bringen immer alles gleich auf den schwarzen Markt. Es geht hier fast allen so. Die meisten haben sich damit abgefunden und behalten sogar die Mädchen! ..“
Welch schreckliche Dinge derweil im jüdischen Ghetto von Kaunas vor sich gingen, kann man eindrucksvoll bei Solly Ganor (Das andere Leben) nachlesen.
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