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horschitz1866.jpg

Jahr: 1866-1878
Bemerkung:
ArtikelNr. 4891

 

E-Mail

Juden in Kassel 1866-1878. Briefkonvolut Ehepaar Horschitz, ca. 200 Briefe und Postkarten

Ca. 190 Briefe und ca. 20 Postkarten aus einem Nachlass. Ca. 20 unbeschädigte Umschläge mit Poststempeln und Briefmarken ab 1869, Postkarten ab 1875. Briefe teils mit 2, teils mit über 2 beschriebenen Seiten. Partiell fleckig, allesamt berieben und staubig, sonst guter Zustand. Die Handschrift der Emma H. ist einfach zu lesen, was für ihren Gatten Moritz nicht zutrifft.

Urheber der Briefe ist das Ehepaar Moritz (Moses) Horschitz (geb. 1812, gest. 1877) und Emma Horschitz, geb. Elzbacher (geb. 1841, gest. 1905), welches am 30.9.1866 in Bad Oynhausen geheiratet hatte. Moritz war Abkömmling einer jüdischen Familie Kassels, die es durch den Handel mit Wolle und Stoffen zu erheblichem Wohlstand gebracht hatte. Emma war eine aus Bad Oyenhausen stammende Christin protestantischen Glaubens. Das Paar hatte 3 Kinder, nämlich Otto (geb. 1867), Elisabeth (geb. 1869) und Fritz (geb. 1874). Moritz war bereits verheiratet gewesen und hatte aus erster Ehe 4 Kinder, von denen 1867 eines in London lebte. Das dritte Kind, die Tochter Lina, war 1840 zur Welt gekommen und ist damit ein Jahr älter als Moritz’ zweite Gattin Emma. Die beiden 1866 ca. 26 Jahre alten Frauen waren miteinander befreundet.

Die Horschitz leben ein saturiertes Leben. Moritz und Emma sind edel gekleidet, sie haben Diener, belegen Logenplätze in der Oper, reisen regelmäßig zu Kuraufenthalten. 1875 oder 1876 wird ihm der Titel „Commerzienrath“ verliehen.
Die Familie Horschitz betrieb ein Handelsunternehmen, das Niederlassungen in London (Horschitz & Co., 60, Mark Lane) und Hamburg (Arnthal & Horschitz Gebr.) unterhielt.
Moritz hatte zu unbekanntem Zeitpunkt seinen ursprünglichen Vornamen Moses aufgegeben, ob er zudem zum protestantischen Christentum übergetreten war, ist unklar. Das Judentum wird seinen Briefen nicht oft, und wenn dann kritisch, erwähnt. Im geschäftlichen Leben pflegt Moritz indes intensiven Kontakt zu jüdischen Unternehmern.

Die Briefe enthalten viele spannende Details zum Leben der jüdisch-deutschen Oberschicht des 19. Jahrhunderts. Wir lesen über Kassel, über die Kur in Homburg und Elster, über Kindererziehung, Liebe zwischen Eheleuten, jüdische und christliche Mitbürger und Mitbürgerinnen der Horschitz, über Mode, über Familienangelegenheiten, Gesundheit und (wenngleich nur garnz vereinzelt) über das Geschäft.
Ganz bemerkenswert erscheint, daß die Eheleute, obschon durch einen Altersunterschied von 30 Jahren getrennt, von tiefer Liebe zueinander beseelt sind und sich rührende Briefe mit zahlreichen Liebesschwüren schreiben.
Moritz wird seit Anbeginn der Ehe von Krankheiten geplagt und verbringt zumeist einen Monat des Jahres der Kurstadt Bad Homburg.

Die Briefe wurden einst von Nachkommen des Ehepaares Horschitz archiviert und in den frühesten Jahrgängen mit Nummern, in allen Jahrgängen zumeist mit Datumsangaben in roter Schrift versehen. Die meisten Umschläge fehlen, teils entfernte man bei existenten Umschlägen die Briefmarken. Teils liefen die Umschläge einzeln per Post, teils sind sie via „Comptoir“, also mit geschäftlichen Sendungen transportiert worden.
Umschläge: Strassenbezeichnungen fehlen in den Adressangaben der Umschläge bis 1875. Ab dem Jahr steht auf Postkarten und Umschlägen oft „Cölnische Straße 58“ (auch „Kölnische Allee“).
Postkarten: Diese sind erhalten ab 1875, ausnahmslos Text-Karten.
Aufdrucke auf Briefpapier: Sohn Julius benutzt 1869 Papier mit Aufdruck „S. Horschitz Wittwe & Sohn, Cassel“, oft heisst es „Arnthal & Horschitz Gebr., Hamburg“. Die Umschläge anfangs teils mit Prägung: „Gebr. Nathan, Hamburg der Bank gegenüber“. Moritz schreibt 1873 mit Briefkopf „60, Mark Lane, London“. 1869 einmal mit „A. Lieberoth, Leipzig“.

DIE QUELLEN:

1850:
Brief einer Josephine an eine Rosalie, Poststempel Passau und Landshut, gelaufen im April 1850, ohne Umschlag gelaufen, mit 2 Stempeln und einem Siegelwachsabdruck (Läsuren, Fehlstelle mit Tesa stabilisiert).


1866:
14 Briefe (13 im Umschlag, ca. 2x postalisch gelaufen aber Briefmarken entfernt, Umschläge teils mit Siegelwachs hinten), 14.9. bis 24.9. und 18.12 bis 20.12.1866. Es fehlen Briefe 2 und 3, sonst komplette Überlieferung. Moritz befindet sich in Kassel und Hamburg, Emma anfangs in Bad Oynhausen, nach der Hochzeit in Kassel. 7x an Emma, 6x an Moritz, 1x gedruckte Hochzeitsanzeige.

Brief 1 der Emma (Bad Oynhausen, 14.9.1866) beginnt so: „Mein geliebter Moritz! Laß mich dir nicht schildern, wie es mir nach deiner Abreise zu Muthe ist, nach den schönen Stunden, die wir zusammen verlebt, die dich mir so nahe brachten und mich so glücklich gemacht. Lieber will ich schon jetzt der Zeit gedenken, die dich wieder zu mir, zu uns allen zurückführt, denn auch meine Geschwister sind dir in innigster Liebe zugethan. Es war mir so wohltuend, als selbst Regina nach der Rückkehr vom Bahnhof so innig und treuherzg zu mir sagte, welch ein liebenswürdiger Mann mein Moritz sei, und wie gern sie dich habe. ...“
Brief 1 des Moritz (Kassel, 20.9.) beginnt so: „Meine geliebte Emma! Meine gestrigen wenigen Zeilen ab Hannover wirst du erhalten haben. Mein Kopf und Herz ist so von den Gedanken an dich eingenommen, daß es mir zum 1ten Mal im Leben passierte unordentlich aus Zerstreutheit zu sein, bis jetzt war ich nur .. [unles.] aber nicht zerstreut. Ich kam 3 Minuten vor Abgang des Zuges zum Bahnhof, in dem Wahn ich hätte das [unles.] billet und Gepäckschein bis Cassel, als mir das Gegentheil einfiel u .. [unles.] mein Gepäck noch in der Mindener Abtheilung stand. Da hieß es dann ... [unles.] sein u. daß ich das noch draufgesetzt habe, mitzukommen, war wirklich staat. Das alles kommt auf deine Rechnung u ist deine Schuld. .....“
Am 20.9.1866 schreibt Emma in Brief 2: „... Gestern, als der Zug dich mir entführet, als ich allein am Bahnhof zurückblieb, da kam auf ganz das Gefühl des Schmerzes über mich, daß ich nun allein, daß ich nun ohne dich sein sollte. Selbst der Tag in Minden, von dem ich mir für die ersten Stunden Zerstreuung gehofft, bewirkte gerade das Gegentheil. Ich hatte nur den einen Gedanken an dich und da mußte ich mit andern über Dinge mich unterhalten, die kein Interesse für mich hatten, mußte Besuche machen, die mir peinlich waren, und war ich ordentlich froh, im Mindener Tempel ganz in meinen Gedanken, wenigstens in mir, allein sein zu können ... Noch mehr als nach unserer ersten Trennung freue ich mich dieses Mal unseres Wiedersehens ... Auch du wirst meiner viel gedenken, ich fühle es und es macht mich glücklich. Und wie denkst du immer an mich! In diesem Augenblick wird mir die Antwort. Es wurde eben an die Thür geklopft und zu meiner großen Überraschung wird mir ein Bouquet von dir aus Hannover überbracht. ... Ein so prachtvolles Bouquet habe ich noch niemals gesehen. .... Schon gestern Abend beabsichtigte ich, dir zu schreiben, doch kamen nach unserer Rückkehr aus Minden viele Bekannte mir zu gratulieren und nach dem Supper wagte ich es nicht, mich nach oben in meine Zimmerhäuslichkeit zurückzuziehen, aus lauter Respekt vor Schwager Rinteln, neben dem ich auf dem Sopha saß und mich recht ehrbar unterhalten mußte. ... Da wurde ich nun schon zum zweiten Male am Schreiben an dich durch dich unterbrochen. ... Ich bekommen soeben deinen Brief aus Hannover. Der erste Brief von dir...“
Am 22.9.1866 schreibt Moritz in Brief 2 von Hochzeitsvorbereitungen.
Am 22.9.1866 antwortet Emma auf Moritz’ Brief vom 20.: „Es freute mich unendlich, aus deinen gestrigen Zeilen deine glücklich zurückgelegte Reise zu ersehen. Aber, daß solch vielgereistem Manne, wie mein Moritz doch ist, ein Reiseabenteuer begegnen, daß du beinahe vergessen hattest, dich selbst und dein Gepäck weiter als bis nach Hannover zu expedieren, daß hätte ich nimmermehr von dir gedacht, und soll ich mir nun obendrein noch sebst Schuld geben. .... Dann beschäftige ich mich viel mit Regina, der ich in ihrem Studium und auch in der Musik recht sehr zur Hand gehe, mache mich so viel wie möglich Fanny im Haushalt nützlich und begleite Rinteln, wenns Wetter nur eben sich aufklärt, in die Praxis. So steht alles auf meinem Tagesrepetoire, nur noch nicht die französische Konversationsstunde. Ich glaube, ich muß auf französische Lektüre mich beschränken, denn hier existiert augenblicklich nur ein Franzose, bei dem Stunden zu nehmen Rinteln nicht wünschenswert für mich ist. ...“
Am 18.12.1866 schreibt Emma: „Du bist ... [unles.] begierig wie spät mein Morgen heute beginnt. So wisse denn, es ist noch nicht ½ 9 Uhr, ich sitze schon in ziemlich vollendeter Toilette am Schreibtische, mit Ansicht des gedeckten Kaffeetisches, und in Erwartung deines Jule [Julius], von dem mir Friederike eben mit bekannter steifer Grandezza rapportiert, daß der junge Herr bald erscheinen würde. ... Dann kam Lina mit Ernstchen, um mich auf den Abend einzuladen. Ernst wollte sich wieder gar nicht gern von hier trennen, doch konnte ich ihn nicht gut hier behalten, da ich den ganzen Nachmittag beinahe bis ich zu Lina ging, Commissionen besorgen mußte. Bei Lina waren wir bis 12 Uhr. Es waren dort Katzensteinsin doppelter Ausgabe, Feidels, Pulvermacher, Rosalie Herrlich und Julius u. ich. ... Ich habe jetzt beinahe alle Weihnachtscommissionen beendet. ..... Auguste hat die Stelle bei Dr. Hellwitz adaptiert. Februar wird sie dort eintreten, und ist sie mit diesem placement sehr zufrieden. ...“
Emma am 19.12.: „Gestern Abend haben wir schon wieder geschwiemelt [?]. Wir waren bei Henriette eingeladen, wo musiziert wurde. Jacob, Holzapfel, Julius u. Höfner waren die ausübenden Künstler. Von Julius war es sehr gefällig, daß er die Bratschenparthie für einen ausgefallenen Musiker übernahm. Es wurden wundervolle Stücke, 2 ...[unles.] und ein Quartett vorgetragen, und waren wir bis nach 11 Uhr zusammen. ...“


1867.
42 Schreiben, 17 im Umschlag wovon einer postalisch gelaufen und mit Stempel „Kassel Bahnhof“ aber ohne Briefmarke. Emma weilt in Kassel, Moritz in Frankfurt, Hamburg, Paris und London, Nauheim, später ist er zur Kur in Bad Homburg. 21 Schreiben an Emma, 21 an Moritz. Komplette Überlieferung. Datiert vom 12.4. zum 18.8.1867. Am 24.4. schreibt M. aus London mit Briefkopf „11, Corn Exchange Chambers, London“, am 10.8. aus Frankfurt mit Briefkopf „Wilh. Erdmann, Bettwaaren, Fabrik & Handlung, Frankfurt a.M.“.


Emma am 12.4.1867: „... Heute morgen war ich bei Lina ... Wir waren zusammen auf der Messe, dann eine Stunde in der Wilhelmshöher Allee, worauf ich in Henriettens Obhut über ging, die mich auf einer Menge Commissionen begleitete u. bis wieder zu Hause. ...“
Emma am 14.4.: „... Gestern Nachmittag hatte dich noch Besuch von Ascherotts Kindern, dann von Fr. Rothfels, Henriette und Lina bis nach 8 Uhr zum Caffee bei mir und zum Abend hatte ich wieder einen sehr großen Tisch .. [unles.] Arnthals, Henriette, Julius hatte Pulvermacher mit gebracht u. früher kam auch Jacob. Wir waren bis 11 Uhr zusammen. Mein heutiges Programm enthält auch einige Besuche zu machen u. dann bei Lina zu Tisch zu gehen. ...“
Moritz am 23.4.: „...Die Hutangelegenheit habe ich leztens besorgt, du bekommst für dich und Lina einige Hüte zur Auswahl die ... [unles.] sind, dabei auch ein Strashut mit lila come il faut. ....[unles.] Dein capot hat von der Engelhs [?[ izt von der Haar gekauft aber nicht alt u verlegen, sondern den Abend vorher, ehe die Engelhs hierher kam, früh von der M... gekommen u. das neueste Thron [?]. ... Von Mayer hier bekommst du ein paar Kleider in nächster Zeit zur Auswahl, die du zurücksenden kannst, wenn sie dir nicht gefallen. Behalte aber die Sachen aber nicht zu lang dort.“
Emma am 24.4.: „... Montag abend war ich im Theater. Gustav ist eine prachtvolle Oper und wird ausgezeichnet gut hier gegeben. Ich blieb nicht bis zum Schluß, sondern nur bis zum letzten Akte, da ich meinen Lieblingskönig nicht gern wollte morden sehen u. diese Oper außerdem schon anstrengend genug ist. Matthiens waren auch in unserer Loge und sind mir durch Lina vorgestellt worden. ...“
Emma am 29.4.: „Heute sind die Frankfurter Hüte angekommen u. haben Lina deiner, sowohl wie ich, sehr lobend über die richtige Wahl gedacht, da wir jeder etwas Passendes gefunden. Ich habe meinen lila Capot und einen grauen runden ausgewählt. Lina meint, du möchtest mir das Londoner Zeug zu einem lila Alpaca-Kleid mitbringen zu einem Frühjahr-Auszug. Macht dir dieses auch nicht zuviel Mühe? Wenn es nicht gerade lila ist, so gibt es da in der Art wohl einen Stoff mit einem lila Scheine. ...“
Moritz am 1.5.: „.. Ich entschloß mich noch Gestern Abend, von London abzureisen und kam heute Morgen, nach einer sehr günstigen Seefahrt sehr wohl, aber nicht gerade munter, hier [in Paris] an. Ich schreibe dies hier bei meinem Agenten Millavog [?], da ich ... [unles.] und ich nicht weiß, ob ich von der Exposition vor Postschluß zurück heim sein werde. ...“
Moritz am 30.7. aus Homburg: „... Einige Bekannte habe ich bereits gefunden, einen (jüdischen) A... [unles.] Dr. ... aus Hannover (der Name fällt mir augenblicklich nicht ein, Jacob kennt ihn), Bankier Oppenheimer aus Braunschweig, einen jungen Jehr [?] netten Engländer ect., auch old Michels aus Cöln. Juden, und zwar recht fürbaß, sind mehr als je hier, was in der ... keine Annehmlichkeit ist. Du wirst mich wieder für einen Rosche (nicht Roger) halten, aber es ist auch gar unangenehm, fortwährend die jüdische Geschwebbel, namentlich im süddeutschen Jargon, des Morgens nüchtern, mit anzuhören, es ist gerade so als wenn man eine schlechte Cigarre nüchtern raucht. ...“
Moritz am 31.7. aus Homburg: „Auf der Promenade unterhalte ich mich mit Beobachtungen, namentlich unserer Glaubensgenossen, wie komisch und sprechend sind diese doch, namentlich mit Kopf und Händen, und nun gar die Nasen, wie ... [unles.] in ihrer Verschiedenheit. Diese süddeutschen Judennasen sind sämtlich über Lebensgröße, ungefähr wie die Figuren im Jardin de Luxembourg in Paris. Paris hat Homburg .......... [unles.], es sind die alten Gesichter, nur noch etwas mehr rouge aufgelegt, etwas höhere Absätze an den Stiefeln und etwas weniger Crinoline....“
Moritz am 1.8. aus Bad Homburg: „... Ich war gestern nicht einmal im Spielsaal da ich vorgestern mehr verloren als ich wollte. Das Spiel macht mir mehr Vergnügen als mir lieb ist, deshalb sollte ich mich mehr retiré. ...“
Emma am 9.8.: „Ich habe ... schrecklich ausgelacht. Ihre Bazar-Sitzung vom Tage vorher, von der sie so ... [unles.] Erwartungen gesetzt u. die mit großen Buchstaben in der Zeitung angekündigt war, brachte dem Bazar einen groben Brief und ein einziges Publikum in Person von Simon Rosenstein- oder Zweig, wie er heißt. Ist das nicht recht à la Cassel?“

1869.
35 Briefe, 13x mit Umschlag (wovon 5 gelaufen und mit Briefmarke und Stempel), keine Nummerierung. 18 Briefe an Emma, 17 an Moritz, dazu ein Brief des Sohnes Julius an den Vater. Briefe zumeist im April und August des Jahres.
Moritz schreibt aus Leipzig, aus Bad Homburg (wo er wieder zur Kur weilt) und aus Nauheim, Emma aus Kassel.

Am 20.4.1869 schreibt Moritz’ Sohn Julius an den Vater: „Heutige Verkäufe beschränken sich auf 20 Clt. [?] Roth und 30 Clt. Pelze à 27 ½ Catra [?] af Grobe if Calbe. Da ich Dir sonst nichts mitzuthelen habe u. bei Goldschmidt in Gesellschaft bin, so schließe ich mit der Versicherung meines Wohlergehens, indem ich Dir viel Vergnügen wünsche. Moritz Arnthal befindet sich deutlich besser.“
Moritz am 11.4.1869 aus Leipzig: „.. Bis auf 2 Besuche, die ich morgen früh noch mache, habe ich meine Geschäfte besorgt, habe alle Aufträge ausgeführt u mir auch Vergnügen gemacht. Gestern Abend hörte ich im neuen Theater den Freischütz, nachher ging ich ins Hôtel de Pologne, wo ich Parlow die berühmten 34er hörte. Heute Abend höre ich die neue Oper Hamlet, wozu ich mir - ich kann die ... [unles.] nicht verschweigen - 2 junge hübsche Mädchen eingeladen habe, die ich mitnehme. Wat se... [unles.] nun? Ich traf Gestern Abend Jacob Wallach mit seinen beiden Töchtern, die ich auf heute Abend zum Theater einlud.“
Moritz am 18.4.: „... Wie ich das Couvet mit den Bildchen... [unles.] Otto öffne, habe ich hellauf lachen müßen. Die Schlap mit ihrer großen imp.... [unles.] schwarzen Hand, in ihrer vortrefflichen ...ungen [unles.] und mit dem unwiderstehlichen coquetten Lächeln! Es ist zu komisch! Ich finde die Photog. sämtlich nicht so gut als Kegel’s, da sie aber einmal gemacht sind, so bin ich dafür, daß wir .... [unles.], welche ich durch ein Ohr bezeichnet, zu 6 Stück nehmen. ..“

1870.
8 Briefe, 2x mit Umschlag aber postalisch ungelaufen. Keine Nummerierung. An Emma 4 Briefe, an Moritz 3 Briefe, ein Brief an die Geschwister. Briefe in Februar, Juli und November. Moritz ist in Hamburg.

Emma schreibt am 4.2.1870: „Hoffentlich bist du wohl und munter dort eingetroffen und bist von der schlechten Nebelluft nicht so sehr belästigt worden. .... Ich las über König Ludwig von Baiern, und finde meine Achtung vor ihm sehr gerechtfertigt. ...“
Emma am 7.2.: „Er [der älteste Sohn Otto] hofft sehr, Papa würde ihm einen neuen Baukasten mitbringen; ich werde dir einen für ihn besorgen, wenn’s dir recht ist. Er will dann großmüthig den alten der Elsa [Tochter Elisabeth] schenken. Heute hatte ich beide Kinder nicht ausgeschickt. Es war Cassler Wetter, d.h. Sonnenschein und durchdringend scharfe Luft. Otto ist den ganzen Tag bewaffnet herumgelaufen, Helm, Schwert, Pferd und Gewehr. Der Kleine ist noch immer zu faul zum Sprechen, obschon er alles nennen kann. ....“


1871.
8 Briefe, kein Umschlag, keine Nummerierung. 3x je an Emma und Moritz, einmal schreibt Julius aus London an seinen Vater und Emma (18.9.), einmal ein unbekannter Mann aus Boissey St.-Léger an seine Mutter (2.8.). Moritz ist in Homburg und Kassel, Emma in Nauheim und Kassel, Sohn Julius in London. Mai, Juni, Juli, September 1871.

Julius schreibt aus London am 18.9.1871: „... Wenn die Waffen 3 Wochen geruht haben, kann das Schlachten nicht wieder anfangen, es wäre zu wahnsinnig. Nein, ich glaube bestimmt an einen Frieden, und einen langen Frieden, der unserem ganzen lieben Deutschland zum Heil geruhen möge. Was muß das für ein Jubel in Deutschland sein, so plötzlich aus qualvoller Angst für das Leben eines Sohnes, eines Gatten oder Freundes erlöst. ..... Als wir nach Tisch in das Rauchzimmer gingen, stand ein Billard fix und fertig da. Es wird jetzt natürlich gehörig benutzt und aus den Thursday Pops sind Thursday Pools geworden. .... Sylvester waren wir bei Stickels, da keine Engländer da waren, war es ein recht vergnügter Abend. Gestern habe ich mich sehr gut amüsiert. Wir waren alle in der Pantomime. Das Sujet bildete Dornröschen, von dem schönen Mädchen blieb aber wenig übrig, es ist den Engländern zu ästhetisch, dann gesellte sich zu den prachtvollen zauberhaften Decorationen der Clown als Sinnbild britischer Gemeinheit, um es volkstümlich zu machen. Die Kinder waren natürlich außer sich vor Vergnügen. Die Engländer gehen an Freiheit zu Grunde, wenn der Staat eine Oberaufsicht über Bildungsanstalten hätte, so würde das Theater nur Schönes zeigen. Die Bühne hier brutalisiert & entsittlicht das Volk. Wie ist es möglich, daß man den Prinz im Dornröschen mit einer langen Nase im Schlafrock erscheinen läßt, wie kann da die Phantasie eines Kindes Nahrung bekommen. Das Einzige was mich noch mit den Engländern versöhnt, ist die Wuth, die sie auf uns haben. Den König nennen sie einen lutherischen Bluthund, Bismarck einen Schuft usw. Warum, darf man sie nicht fragen, wie denn der Erbärmliche niemals weiß weshalb er den ihm an sittlicher & physischer Kraft Überlegenen faßt. ...“


1872.
19 Briefe, 13x Juli und 5x November ua, 4x mit Umschlag (1x mit Stempel „Cassel-Bahnhof“, 2x mit Stempel „Elster“ und Briefmarke, 1x mit Stempel und entfernter Marke), 11 Briefe an Moritz, 8 an Emma. Moritz weilt in Kassel, Homburg, Berlin und Hamburg, Emma in Elster und Kassel. Keine Nummerierung.

Moritz am 18.7.1872 an die zur Kur in Franzensbad weilende Emma: „... Sei nur recht heiter und ... [unles.] dich so gut es geht, das gehört mit zur guten Kur. Ich will eben noch herüber zu Jacob, ihn fragen, ob er ..fahren will zu seiner Goje. ...“
Emma am 21.7. von der Kur: „... Mir geht es ganz nach Wunsche. Die Bäder greifen mich immer weniger an. Ich war heute nach dem Brunnen ziemlich nervös, das Bad indessen restaurierte mich vollständig. Die Kopfscchmerzen sind doch hier entschieden seltener als in Cassel und gehen konnte ich heute morgen sehr gut. Da hast du allergenauestes Bulletin von deiner Goy, von der doch vielleicht das allerbeste ist, daß sie dich so herzlich lieb hat und sehr viel an dich denkt. ... Heute morgen erhielt ich das Kleid von Steinberg. Es ist wie mein Verlobungskleid; ich bildete mir gleich ein, daß ich dir darin vielleicht nochmls gefallen könnte u. behielt es. Die Jacke schicke ich zurück. Sie ist zwar sehr hübsch und gemütisch [?], doch kann ich sie entbehren, da ich den Leipziger Überwurf habe. ...“
Emma am 22.10.1872: „... Alles ist, Gott Lob, all right bei uns. Die Kinder sind eben zur Ruhe gebracht und Otto singend eingeschlafen. Überhaupt ist heute größte freudige Aufregung, denn morgen beginnt der Kindergartenbesuch. ...“


1873.
31 Briefe, 11x an Emma, 20x an Moritz, 7x im Umschlag (davon 4x postalisch gelaufen und mit Stempeln und Briefmarken [Deutsches Reich 1 Groschen], adressiert u.a. an „Hotel d’Angleterre“ in Baden-Baden, Hotel zum Schwan in Frankfurt a.M.), u.a. 5x April, 9x Juni-Juli, 13x November. Nicht nummeriert, Überlieferung nicht komplett. Moritz ist in London, Hamburg, Berlin, Baden-Baden, Emma in Elster und Kassel.

Rührend ist eine Visitenkarte „Horschitz & Co., London“, die verso folgend beschrieben ist: „I love you, I love you ten thousend times, you are the best and loveliest wife of the world and I adore you. But dont tell to anyone in the world except Henriette“.
Moritz am 28.6.1873 aus Kassel: „... Heute früh kam Julius wieder hierher, ich dachte mir, daß mit Arnthal etwas vorgefallen, und so war es denn auch. Jacob Arnthal ist Gestern Mittag 2 Uhr ... [unles.] verschieden. Eine große Wohlthat für ihn sowie für die Familie. ...“


1874.
5 Briefe, Februar. 4x mit Umschlag, ohne Marken und Stempel. Emma weilt in Kassel, Moritz in Hamburg.


1875.
2 Briefe, 4 Postkarten. 1x an Moritz (von Moritz’ Enkelin Alice aus London), 1x an Emma, 4x an den ältesten Sohn Otto, zumeist Mai und September. Im September alle Postkarten. Moritz ist in Hamburg und Homburg, Emma in Kassel und Homburg. Die Postkarten mit eingedruckter Briefmarke und Stempel des absendenden Postamtes (Homburg vor der Höhe).
3 Postkarten schickte Emma von der Kur in Homburg an ihren ältesten Sohn Otto, der in Kassel geblieben war, eine Karte schickte ein Ernst aus Salzungen an Otto.

Ernst am 20.7.1875: „Ich danke dir für deine Karte und freue mich sehr, daß du einen Hirschkäfer gefangen hast. ...“
Emma am 2.9. aus der Kur in Homburg an Sohn Otto: „Wir kommen so eben von einem großen Süden-Fest-Essen, und schicken für dich und Elsa die Lieder, die dabei gesungen wurden. Papa und ich haben auch mitgesungen und unseren Kaiser Wilhelm hochleben lassen. ...“


1876.
Eine Postkarte und 17 Briefe, 13x mit Umschlag (wovon 9 mit Marken und Stempeln). Moritz ist in London und Homburg, Emma in London, Bad Oyenhausen und Kassel. Briefe zumeist im Mai, öfters auch in Juli und Dezember. Ein Brief von Julius aus Hamburg an Emma.

Am 17.4.1876 schreibt Emma aus London an die Kinder Otto und Elsa: „Wir freuen uns sehr, hier in London zu sein und einige Zeit mit Onkel Wilhelm und den Kindern zu verbringen. Ich wünschte, Ihr könntet Alfred und Willy mal sehen, was das für reizende Jungen sind, wie sie aufs Wort folgen und sich gut verbeugen. ...“
Moritz am 27.5.: „... Die Reise hierhin [von Kassel nach Homburg] war wie eine Spazier- aber gerade keine Vergnügungsfahrt, ich hatte 3 Reisegesellschaften, von denen niemand ein Wort sprach. ...“
Moritz am 29.5. aus Bad Homburg: „... Morgens am Brunnen, meist Homburger, einige Englänner, apar Russe und etliche daitsche Jüdle, wenigstens sehen sie so aus, es könnten auch mol Frankfurter Gojim sein. ...“


1877.
5 Briefe (1x gelaufen und mit Marken und Stempeln) und 15 Postkarten, zumeist Juni bis September. Postkarten 4x an Otto, sonst von Otto und der Mutter an den Vater, ein Brief von Julius an den Vater, sonst von den Eheleuten. Moritz ist in Homburg, Hamburg, Berlin und Lobenstein.
Der letzte Brief von Moritz (welcher am 5.11. sterben sollte) ist datiert auf den 25.8. und wurde in Lobenstein (Thüringen) geschrieben. Moritz schreibt: „... Seit dem ich dich besitze, habe ich noch nicht so viel, so unaufhörlich an dich gedacht, als während dieser Reise, aber - ich klage nicht, ich sage nichts, ich spreche nicht einmal von dir und bin alles zufrieden. ...“

1878.
4 Briefe der Kinder an die Mutter u.u., ein Umschlag, Juli.




Sämtliche genealogischen Angaben zu den Horschitz konnten nur dank der Internet-Homepage einer amerikanischen Familie gemacht werden (www.blankgenealogy.com). Aus den Briefen hätten sich die Informationen nicht gewinnen lassen.

(c) Ingo Hugger  2020 | livre@cassiodor.com