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aachen1923.jpg

Jahr: 1923
Bemerkung:
ArtikelNr. 4693

 

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Rheinland-Separatismus 1923 in Aachen. Spektakuläre Photos, Gerhard Mertens.

11 s-w-Abzüge à 8x11cm, entnommen einem Fotoalbum. 8 kartonstarke Blatt mit Pergaminblättern, gesamt 25 montierte s-w-Abzüge à 8x11cm. Etwas berieben, sonst guter Zustand. Keines der Bilder ist auf der Albumseite betitelt.
Die fragile Klebebindung der 8 Blatt hat sich im Zuge der Recherchen gelöst, der Satz liegt in 2 Blöcken vor. Die 11 Photos der rechten Seiten zeigen die Aachener Szenen, die 14 Photos der linken Seiten diverse Reisebilder (u.a. Blücher-Brunnen in Kaub, Rhein, Dörfer, Burgen).

Die Photos entstammen dem Album eines jungen Mannes, der in den 1920ern in Nürnberg in einem Photogeschäft arbeitete und wohl ein leidenschaftlicher Photograph war. Enthalten sind Ansichten, die im Zuge einer Rheinreise wohl 1923 entstanden: Man sieht Bilder von den 3 Freunden des Proganisten, von Burgen und kleinen Dörfern mit mittelalterlicher Bausubstanz, vom Rhein – die 11 Separatismus-Photos wirken wie ein geheimnisvoller Fremdkörper im Album.

Da kein Bild beschriftet ist, bedurfte es eines gewissen Zeitaufwandes, um die Strecke zuordnen zu können. Gezeigt sind das Rathaus von Aachen (3x Fassade [einmal mit Panzerauto und belgischen Soldaten], 3x Innenraum [einmal Krönungssaal mit Rethel-Karlsfresko]). Die übrigen Bilder zeigen zerstörte Fensterscheiben von Geschäften (2x) bzw. auf der Strasse zerstreutes Mobiliar (Barrikaden nahe des Münsterplatzes, 2x), sowie einmal Menschen beim Zertrümmern eines hölzernen Möbels.
Die 11 Abzüge entstanden nach Negativen des Aachener Berufsphotographen Gerhard Mertens. Letzterem waren während der Ereignisse vom Oktober 1923 eindrucksvolle Bilder gelungen, die sich seinerzeit oft und gut verkauft hatten.

Das Bild, welches ein belgisches Militärfahrzeug im Vordergrund und hinten das Rathaus mit Leitern zeigt, ist im Buche „Aachen so wie es war“ von Helmut Aurel Crous (erschienen bei Droste in Düsseldorf 1971) auf Seite 86 abgedruckt. Betitelt ist es dort mit „2.11.1923. Nach dem Separatistensturm auf das Rathaus“. Nach Crous stammten die Leitern von einem nahe gelegenen Baugerüst.
Die gezeigten Barrikaden habe Mertens an der Ecke Ursulinenstrasse Münsterplatz aufgenommen.




Wikipedia (Stand 11/2009) schreibt zum Thema (im Kapitel: „Rheinische Republik“):

„In Aachen wurde das Rathaus am 21. Oktober 1923 unter der Führung von Leo Deckers und Dr. Guthardt besetzt, die im dortigen Kaisersaal die „Freie und unabhängige Republik Rheinland“ ausriefen. Am 22. Oktober schossen Separatisten in der Umgebung des Theaters auf Gegendemonstranten, die danach in das Sekretariat der separatistischen Partei am Friedrich-Wilhelm-Platz eindrangen und dieses verwüsteten. Seit dem Morgen des 23. Oktober fuhren Separatisten schießend in Autos durch die Stadt. Die Aachener Feuerwehr besetzte inzwischen das Rathaus, was die separatistische Regierung dazu zwang, sich nun im Regierungsgebäude zu verschanzen. Am selben Tag verhängte die belgische Besatzungsmacht den „Belagerungszustand“.
Die deutsche Lokalpolizei in Aachen versuchte am 25. Oktober das Regierungsgebäude zu stürmen, wurde jedoch von Soldaten der belgischen Besatzung daran gehindert und fortan belgischem Befehl unterstellt. Ebenfalls wurde der Betrieb der Technischen Hochschule eingestellt und auswärtige Studenten aus Aachen ausgewiesen.
Am 2. November wurde das Aachener Rathaus wieder von den Separatisten besetzt, die inzwischen rund 1000 Männer Verstärkung aus den Reihen der „Rheinland-Schutztruppen“ erhalten hatten. Der belgische Hochkommissar Baron Edouard Rolin-Jaequemyns ordnete das sofortige Ende der separatischen Regierung an und forderte die Truppen auf, umgehend die Stadt zu verlassen. Die Aachener Stadtverordnetenversammlung trat am Abend zusammen und legte ein „Treuebekenntnis zum Deutschen Reich“ ab.“

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