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Jahr: 1948
Bemerkung:
ArtikelNr. 4523

 

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WAV – Wirtschaftliche Aufbau Vereinigung, Flugschrift 1, Mai 1948

Flugschrift Nr. 1 der WAV, erschienen im Mai 1948. 8°, 24 Seiten, ungebunden (12 ineinanderliegende lose Blatt). Ränder brüchig und unsauber geschnitten, lichtrandig, sonst gut.
Die Quelle bringt 3 bereits einzeln bei der WAV erschienenen Aufsätze: Die Mitschuld des Auslands am Nationalsozialismus! von Julius Höllerer (M.d.L. Bayern) und: Was sagen wir zu einer Geldabwertung? / Wie es kam! von Alfred Loritz (Staatsminister a.D.).
Der Herausgeber nennt sich hier „Wirtschaftliche Aufbau Vereinigung in Bayern“. Die Auflage des Druckwerks umfasste 170.000 Exemplare.

Zur Geschichte der WAV schreibt Wikipedia (Stand 9/2009):
Gründung und Zeit bis zur Bundestagswahl 1949
Die Partei wurde am 25. März 1946 in München gegründet, als Projekt des Rechtsanwaltes Loritz, der aus persönlichen Gründen im Widerstand gegen das NS-Regime war und 1939 vor der Einberufung in die Schweiz floh. Der Partei kam zugute, dass damals die US-Militärregierung nur wenigen Parteigründungen die Erlaubnis (Lizenz) gab. Vor der WAV gab es nur CSU, SPD und KPD, die FPD wurde zwei Monate nach der WAV gegründet. Für nur lokal organisierte Gruppierungen war sie daher ein interessanter Partner für die Landesebene. Zwar gelang die Partei mit acht Mandaten in die bayerische Verfassungsgebende Landesversammlung (15. Juli bis 30 November 1946), doch bald schon verließen mehrere Abgeordnete und Mitglieder die Partei in Richtung CSU oder FDP. Der diktatorische Stil des Partei- und Fraktionsvorsitzenden habe zu dieser Spaltung geführt, so der Parteienforscher Hans Woller. Im Juni 1947 hat eine nationalistische Gruppe unter Karl Meißner Loritz abgesetzt, der die Abwahl aber nicht akzeptierte. Es gelang Loritz' Anhängern, die Oberhand zu gewinnen. Im Oktober wurden Julius Höllerer, Alfred Noske und Loritz als die drei Landesvorsitzenden gewählt, letzterer in knapper Stichwahl gegen Meißner. Da Meißner eine neue Partei vorbereitete, wurde er ausgeschlossen. Im November gründete er den Deutschen Block. Aus den folgenden Wirren, in denen man sich auch mit Ausschlussverfahren bekämpfte, ging im Juli 1949 schließlich Loritz als Sieger hervor. Die Zeit war knapp geworden, da am 14. August die erste Bundestagswahl statt fand. Loritz war zwischenzeitlich polizeilich gesucht worden, behauptete, wegen einer anstehenden Ermordung habe er aus der Untersuchungshaft fliehen müssen, und warf der bayerischen Landesregierung vor, sie habe den Beginn der Hauptverhandlung absichtlich in die heiße Phase des Wahlkampfs gelegt. Die Militärregierung wies eine Verschiebung an, was zu einem Konflikt zwischen Besatzungsmacht und Landesregierung führte.
Woller vermutet, die CSU habe seit Frühjahr 1948, als sie bei den Kommunalwahlen viele Stimmen verloren hatte, in der WAV einen Konkurrenten gesehen, obwohl diese selbst nur 1,7 Prozent erhalten hatte. Vor allem aber habe die CSU (zurecht) befürchtet, dass die WAV sich mit den Flüchtlingsgruppen verbündet. Diesen war eine Parteigründung von der Militärregierung verboten worden. Im Gegensatz zu SPD und FDP war die am Boden liegende WAV bereit, den Forderungen des "Neubürgerbundes" nachzukommen. Er erreichte eine paritätisch besetzte Landesliste, und seine Anhänger mussten nicht in der WAV Mitglied werden.
Bundestagspartei und Ende 1953
Das Wahlgesetz für den ersten Bundestag kannte zwar eine Fünf-Prozent-Hürde, sie galt aber nur jeweils pro Bundesland. Mit 14,1 Prozent der Stimmen in Bayern erhielt die WAV-Liste überraschend zwölf Mandate.[6] Damit war der Höhepunkt für die Partei erreicht. Am 17. März 1950 wurde die Lizensierungspflicht aufgehoben, so dass die Flüchtlinge eine eigene Partei gründen konnten. Auch die entsprechenden Abgeordneten der WAV gingen zur neuen Gruppierung Gesamtdeutscher Block/BHE. In Bayern am 26. November desselben Jahres reichten 2,8 Prozent nicht für den Wiedereinzug in den Landtag.
Die sieben verbleibenden WAV-Abgeordnete im Bundestag versuchten, sich anderen Parteien anzuschließen, ausgenommen SPD und KPD. Sie wollten dazu allerdings einen Wahlkreis oder Listenplatz für die folgende Wahl zugesichert bekommen. Im Juni 1951 wurde Loritz aus der Fraktion ausgeschlossen, der eine Fusion mit der rechtsradikalen Sozialistischen Reichspartei (SRP) angekündigt hatte. Loritz aber ließ sich in einer Landesversammlung im September als Landesvorsitzenden bestätigen und vier der Bundestagsabgeordneten aus der Partei ausschließen. In Folge gründete schwäbische WAV-Gruppen im Dezember einen bayerischen Landesverband der Deutschen Partei.[8] Die Abgeordneten schlossen sich der DP im Bundestag an; am 6. Dezember 1951 löste die WAV-Fraktion sich auf. Am 25. März 1953 gründeten die Abgeordneten Günter Goetzendorff, Wolfgang Hedler, Erich Langer, Alfred Loritz und Otto Reindl für den Rest der Legislaturperiode erneut eine WAV-Gruppe.
Bereits 1950 hatten sich zwei Abgeordnete der SRP der WAV-Gruppe im Bundestag angeschlossen. Nach dem SRP-Verbot im Oktober 1952 dachte die Partei daran, unter anderem die WAV als Sammelbecken zu gebrauchen. Loritz war zwar nicht völkisch eingestellt, teilte mit der SRP aber die Ablehnung der Außenpolitik von Adenauer und überhaupt die "alten" Parteien" und die parlamentarische Demokratie. Die Zusammenarbeit von WAV und SRP lief als niedersächsischer Landesverband der WAV, unter dem Namen Deutsche Aufbau-Vereinigung. Die Sammelbewegung scheiterte aber, und die WAV nahm an der Bundestagswahl 1953 nicht mehr teil. Am 11. August hatte sie sich noch den Namen DAV angenommen.
Bremische Bürgerschaftswahlen 1955.
Loritz bemühte sich um ein polisches Comeback, für das er sich die Bremer Bürgerschaft auswählte. Sie sollte am 9. Oktober 1955 gewählt werden. Bei der Unterschriftensammlung für die WAV kam es zu Unregelmäßigkeiten. Die sich daran anschließenden Auseinandersetzungen vor Gericht dauerten bis zum Tod von Loritz 1979.[10]
Programm
Loritz war 1932 aus der Wirtschaftspartei ausgeschlossen worden, schreibt Woller, weil Loritz sich wie ein Querulant benahm. Er habe sich stets als Opfer gefühlt und seine Antihaltung gegen mächtige Gegner gerichtet. Er wollte nach dem Krieg eine Partei gründen, die die bestehenden Besitz- und Machtverhältnisse verteidigte.
Das Gründungsprogramm, vom Dezember 1945, richtete sich an den Mittelstand. Woller zufolge war es konzeptionslos und populistisch. Trotz des Schutz des Privateigentums sollten ehemalige Nationalsozialisten und sehr Reiche enteignet werden. Der Mittelstand sollte gegen die Großindustrie geschützt werden, die Arbeiterschaft einen Mindestlohn erhalten. Statt der parlamentarischen Demokratie wollte Loritz Volksabstimmungen über jedes Gesetz. Der "Volkswille" solle direkt zum Ausdruck kommen. In der Außenpolitik begrüßte die WAV die Westintegration der Bundesrepublik, war aber anscheinend auch neutralistisch eingestellt.[12]
"Der Primat der Propaganda und die widersprüchliche Politik", so Woller, "verdeckten allerdings nicht, daß in der WAV (...) ein, wenn auch schmaler, ideologischer Konsens bestand, der sich aus sozialen Existenzängsten und ständischen Romantizismen konstituierte." Die WAV habe sich, anstelle der Industriegesellschaft, die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurückgewünscht.
Wahlergebnisse und bayerisches Ministeramt
In Bayern erzielte die WAV 1946 zur Verfassungsgebenden Landesversammlung 5,1 Prozent (8 Mandate), 1946 zum Landtag 7,4 (13 Mandate) bzw. 1950 2,8 Prozent. Bei der Bundestagswahl 1949 kam sie auf bundesweit 2,9 Prozent der Stimmen, nur für Bayern gezählt, wo sie kandidierte, waren es 14,1 (12 Mandate). Wegen ihrer Präsenz im bayerischen Landtag hatte sie seit Juni 1947 einen, seit Februar 1948 (nach einer Neuorganisation) zwei Vertreter im Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes.
In der ersten vom Volk gewählten Regierung Bayerns nach dem Krieg war neben CSU und SPD auch die WAV vertreten, trotz absoluter Mehrheit der CSU. Loritz war Sonderminister für politische Befreiung, verantwortlich für die Entnazifizierung, am 24. Juni 1947 wurde er jedoch entlassen.
Die Partei war 1946 noch überwiegend von Alteinsässigen gewählt worden, 1949 aber war sie vor allem in Gebieten mit vielen Flüchtlingen erfolgreich.
Vorsitzende
1945 bis Juni 1947: Alfred Loritz
Juni bis Oktober 1947: Ein fünfköpfiges "Direktorium", das allerdings von der US-Militärregierung nicht anerkannt wurde: Karl Meißner, Josef Klessinger, Friedrich Lugmair, Alfred Noske, Paul Röschinger
Oktober 1947 bis August 1948: Julius Höllerer, Erich Kühne, Alfred Loritz (vertreten durch Gottfried Zimmermann)
August 1948 bis 1953: Alfred Loritz

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