Vivarium
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> 1939-1945
> Photoalbum
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Jahr: |
1940-1943 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
4414 |
E-Mail
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Fotoalbum RAD 343 ca. 1940-1943. Ostsee, Österreich, Ostfront
Album 6 von 7 aus dem Nachlass des Otto W., der ab ca. 1934 in Spremberg (Lausitz) beim Arbeitsdienst Dienst tat. Wahrscheinlich stammte der Mann aus einer deutschstämmigen oder deutsch-polnisch Familie, die nach 1918 in Polen verblieben und in Posen beheimatet war.
Quer 8°, Leineneinband, Kordelbindung, ca. 25 kartonstarke Blatt, zwischengebundene Pergaminseiten, ca. 213 s-w-Fotos überwiegend im Format 6x9cm, komplett gefüllt. Abzüge auf Leonar, Agfa Lupex und Brovira. Etwas berieben, manche Pergaminseiten mit Läsur, sonst gut.
Das Album berichtet vom Arbeitseinsatz in Österreich und im Osten. Vereinzelte Bilder sind verso betitelt, sonst finden sich keinerlei Datierungen oder Bildunterschriften auf den Seiten (ausser auf der ersten Seite das Wort: „Ortin“ [Owtin?]).
Otto W. war 1934 in den Arbeitsdienst eingetreten und hatte sich dort zum Offizier hochgedient. Anfangs gehörte er der Abteilung 82 an, um 1940 (mit vorliegendem Album) wechselte er zur Abteilung 343.
Die Reihenfolge der eingeklebten Bilder erschliesst sich erst nach mehrmaligem „Lesen“. W. hatte ca. die Hälfte des Albums auf die von ihm in anderen Alben erprobte Art gefüllt – er steckte die Photos nur auf den rechten Seiten in Klebeecken, die linken Seiten ließ er leer. Im letzten Drittel begann er dann, Bilder doppelseitig einzukleben. Als das Album voll war, beklebte er noch die linken Seiten.
So ergibt sich ein (ca. 140 Bilder langer) erster Strang der rechten Seiten. Diesem Strang gehört zudem das gesamte letzte Drittel des Albums an (also dort auch die linken Seiten), als W. begann, die Fotos doppelseitig zu montieren (anfangs einzustecken, später zu kleben). Der 2. Strang zählt rund 70 Bilder und umfasst die linken Seiten der 1. Hälfte und die letzte Seite des Albums.
Strang 1:
Seite 1 bringt 4 Bilder vom Arbeitseinsatz in „Ortin“ (Owtin?). Dann 16 Fotos vom Ernteeinsatz, man sieht RAD-Männer und Zivilistinnen mit weißen Kopftüchern. Es ist schwer zu sagen, ob es sich um Polinnen, Russinnen oder Deutsche handelt. Ein Mähwagen mit Aufschrift „Raussendorf“ ist zu sehen. Die ersten beiden Positive wurden noch in Spremberg abgezogen, spätere nicht mehr.
Die nächsten 16 Bilder wurden am Meer aufgenommen, wohl an der deutschen Ostseeküste. RAD-Offiziere neben schmuckem Autobus, Arbeitsmänner im Hafen, am Strand, vor einem großen Hotelgebäude, angetreten vor dem Landesmuseum. Einmal steht verso: „Buschdorf an der polnischen Grenze“. Ein Bild zeigt einen Mann mit schwarzer Uniform (ein polnischer Polizist), der den RAD-Männer einen Vortrag hält, verso steht „Selichek“ [?].
Es folgen 12 kleine Bilder (4x5cm), die Otto W. wohl im Urlaub an der Ostsee schoß, als er mit Freunden segelte, danach ca. 8 kleine Bilder vom Arbeitseinsatz an unklarem Orte. Dann ein Gruppenbild von Funktionären im Mantel, dahinter ein Restaurant mit Tafel: „Briesen“, „Restauration von Gustav Melcher“. Dann 2 Bilder vom Sport im RAD-Waldlager „Markgraf Otto IV“ (o.ä.), W. läuft in der Staffel von 10/383) und 4 Bilder von einem privaten Besuch bei einer alten Dame.
Die nächsten ca. 78 Bilder wurden anlässlich eines Aufenthalts von 343 im RAD-Lager Natternbach in Österreich gemacht. Ein Bild ist verso betitelt und lokalisiert sowie der Abteilung 6/343 zugewiesen. Ein Foto zeigt einen Eisenbahnwaggon mit Tafel „Lokalbahn Weizenkirchen“. Wir sehen das Blockhaus-Waldlager, Innenaufnahmen von W.s Zimmer (tatsächlich mit Hitler-Foto an der Wand), mit Spaten angetretene Mannen, dann (hier bricht die saubere Reihenfolge, denn die Bilder der linken Seite gehören zum Strang) den Besuch eines hohen RAD-Führers (ein imposanter Mann mit Schmissen, am Ärmel die "342“, den Schulterklappen nach ein „hohes Viech“; dazu RAD-Offiziere (auch W.), vielleicht aus dem Gefolge des Bonzen?, beim Trinken im Sonnenschein (einer mit „22“ im Spaten des Ärmelaufnähers)). Dann Baracken, Fahnenapell nebst bäuerlichem Trachtlertanz, ein Sportfest, verschneite Landschaft mit Pferdegespann, verschneites Lager mit Schneeball werfenden jungen Damen, ein hölzernes Toilettengebäude mit aufgemaltem Hakenkreuz und RAD-Spaten, die Männer beim Eisstockschiessen (2 Bilder datiert auf Januar 1943).
Folgend sind die Bild montiert und nicht mehr in Klebecken eingeschoben. Dazu wechselt die Jahreszeit von Winter auf Frühling oder Sommer. Ob die nächsten Bilder 1943 oder 1941 bis 1942 aufgenommen wurden, lässt sich leider nicht bestimmen. Gezeigt sind: Blick auf eine Kleinstadt vom Lager aus, marschierende Männer, ein Barackenlager in städtischer Umgebung, angetretene und marschierende Abteilungen, den Spaten geschultert, W. beim Kommandieren, Rad-Offizier und Zivilisten. Dann ein Bruch: Gezeigt sind RAD-Männer im Drillich, die Schienen für eine Kleinbahn an einem Bahnhof auf Waggons verladen.
Offenkundig wurde die Einheit nun nach dem Osten verladen. Die nächsten 2 Bilder zeigen einen RAD-Aufmarsch am Hindenburgdenkmal bei Tannenberg. W. marschierte an exponierter Stelle, denn sein Bild ist fulminant. Dann Bilder eines neuen Lagers und marschierenden Männern. W. trägt (wie zuvor schon einige Offiziere) nun Wehrmachtskluft mit RAD-Aufnähern. Die letzte Seite zeigt ärmlich gekleidete Zivilisten (jedoch nur Frauen und alte Männer) dazu RAD-Männer im Drillichanzug beim Arbeitseinsatz. Hier beginnt Strang 2.
Strang 2, Russland, 58 montierte Fotos. Ein alter Mann auf einem der Bilder der letzten Seite blickt den Fotografen so böse an, daß man annehmen muß, er wurde zur Arbeit zwangsverpflichtet – und daß Otto W. nun in Rußland photographiert. Vom Transport kein einziges Bild. Die nächsten Fotos, nun wieder vorne im Album, immer links: Ein ausgedehntes Waldlager, eine Abteilung Radfahrer auf der Rollbahn und am Lagerzaun(alle mit Gewehren, Hakenkreuzbinden und Wehrmachtsuniformen, ein RAD-Abzeichen trägt nur einer, einmal eine RAD-Flagge). Wir sehen u.a. einen Trupp russischer Kriegsgefangener, deutsche Landser mit umgehängten 98K neben einem Pulk junger russischer Mädchen, einen Soldatenfriedhof, abgeschossene russische Panzer (keine T34), eine angetretene und „den Hitlergruß machende“ Abteilung RAD-Männer in Wehrmachtsuniform, dann die Abteilung beim Strassenbau, neben den Männern ihre Fahrräder. Eine notgelandete ME 109 im Felde, daneben 2 Wehrmachtsbewacher. Frauen mit weissen Kopftüchern, die Bombentrichter in einer Schotterpiste mit Erde zuschütten, RAD-Männer beim Kochen. Danach 3 sehr eindringliche Fotos, die deutsche Landser beim Requirieren von Vieh zeigen. Wir sehen einen sauber herausgeputzten Spielmannszug und 2 Offiziere mit RAD-Abzeichen (einer gehört zur Abteilung 74), eine Zugreise mit Kameraden, eine Uniform mit Aufnäher „343 / 6“, der Offizier liest Zeitung, danach der selbe schlafend im Abteil. Auf Waggons geladene Panzer IV auf dem Nachbarzug, angetretene Rekruten mit nackten Oberkörpern, geselliges Beisammensein in großer Runde mit Krankenschwestern (Offiziere in Wehrmachtsuniformen, teils mit RAD-Aufnähern, teils ohne, teils mit Hakenkreuzbinden, teils ohne). Dann marschierende Mannen in Drillichanzügen, ein russischer Bauer, Bunkerbau, ein Bahnhof mit Zivilisten und einfahrender Dampflok. Die letzten 4 Fotos passen nicht in den Rahmen, da sie im Gegensatz zu den vorigen Ansichten im Winter aufgenommen wurden: Gezeigt sind imposante verschneite Hausruinen in einer Stadt.
Die allgemeine Arbeitsdienstpflicht war in Deutschland für Männer 1935 eingeführt worden – und sie bedeutete 6 Monate Schuften für den Staat, vor dem danach zu absolvierenden Militärdienst. 1942 ließ man die jungen Männer des einzuberufenden Jahrgangs 1924 im Hinterland der Ostfront ihren Arbeitsdienst ableisten, 6 Monate später übernahm dann die Wehrmacht die 18jährigen, die Grundausbildung geschah vor Ort - ebenso der durchaus mögliche Tod.
Da W. bereits 1934, also noch vor Beginn der Dienstpflicht, als vielleicht 28-jähriger Mann in den RAD eintrat, geschah dies freiwillig und wurde von Konstantin Hierl und den RAD-Oberen gerne gesehen. W. arbeitete sich hoch und konnte so ab 1936 „hauptamtlich“ tätig sein, zum Funktionär aufsteigen und den Krieg trotz jahrelangen Dienstes fürs Vaterland überleben. Er verlebte die Jahre beim RAD zu Anfang als Unteroffizier („Vormann“), 1942 war er zum Truppführer oder Obertruppführer aufgestiegen. In den Kriegsjahren wurde W., wie die meisten seiner Offiziers-RAD-Kameraden, von der kämpfenden Soldaten eher als Drückeberger verachtet - wenn auch zahlreiche RAD-Männer im Einsatz fielen.
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