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> Photos
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Jahr: |
1938-1942 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
4373 |
E-Mail
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Hans Schemm Hochschule für Lehrerbildung, Pasing. Photoalbum 1938-1942
Photoalbum, quer 8°, Kordelbindung, schöner strukturierter Ledereinband mit montiertem Swastika, ca. 25 kartonstarke Blatt, zwischengebundene Pergaminblatt, in Klebeecken gesteckt ca. 86 s-w-Abzüge verschiedener Formate (oft 6x6cm, vereinzelt 6x9cm, 10x16cm und 3x4cm), dazu eine Ansichtskarte. Abzüge meist auf Agfa Lupex. Ganz hinten ein Blatt mit genauen Bildbeschreibungen. Etwas berieben, sonst schöner Zustand. Das Abzeichen wurde wohl vom Eigentümer am Album befestigt. Album 5 von 7 aus dem Nachlass des Mannes.
Das Album wurde von einem Studenten der Einrichtung erstellt, der sich zum Physik- und Mathematiklehrer ausbileden ließ. Der junge Mann war, obwohl er sich mehr für Frauen als für alles andere interessiert zu haben scheint, überzeugter Nationalsozialist und Mitglied der Allgemeinen SS. Seine 1939-1940 durch RAD und kurzer Wehrdienstzeit unterbrochene Ausbildung konnte er jedoch nicht in die Praxis umsetzen, da er nach seinem Studienabschluß 1942 wieder in der Wehrmacht diente und nach 1945 NS-Lehrer nicht mehr gefragt waren. Als Pädagoge hat der Mann niemals gearbeitet, die im Album dokumentierte Ausbildung war also für die Katz gewesen!
Das Album ist kunstvoll angelegt und folgt einer Dramaturgie: Einleitung, Ausbildung, Fahrt nach Österreich, Ausbildung, Abschluß der Ausbildung. Alle Bilder sind im Album mit Nummern versehen und auf einem angefügten Blatt ganz hinten erläutert.
Die bemerkenswerten Bilder:
Ansicht der Hochschule; Protagonist in Partei-Uniform und Armbinde; „Studentischer Kameradschaftsabend“ (2x junge Männer oft in Uniform und mit Armbinde bei Bier und Tabak); Studenten in Bus „Münchner Fremdenrundfahrt“, einer mit Bass („Abfahrt zum Funkhaus“); 25.2.1938: 2x „Chor im Funkhaus“, 2x „Orchester im Funkhaus“, 4x Orgel und Organist im Funkhaus; 4x „Schießen in der Kleinen Aula“ (interessanterweise schießen hier junge Frauen); 6x Ansichten vom Unterricht („Biologie“, „Bach-Stunde“; Bilder wurden heimlich aufgenommen); 8x „Biologie-Ausflug nach Weßling“; ca. 34x „Studienfahrt in die deutsche Ostmark“ (Schladming, Jugendherberge ebda., Wien ua); 1x „Physikraum“; Gruppenbild ebda.; 3x „Fechten“ (wohl in der Kleinen Aula“); 1.3.1942, Schlußfeier: 1x „Zusammenkunft der ehemaligen Studenten- und Dozentenschaft“, 1x „Dr. Suchenwirth“ (beide Bilder und Abzüge wohl nicht vom Protagonisten gemacht). Am Ende eine Ansichtskarte der Einrichtung und eine montierte Darstellung der Fassade.
Im März 1935 wurde die seit 1910 bestehende Lehrerbildungsanstalt Pasing in Hans-Schemm-Hochschule für Lehrerbildung umbenannt. Hans Schemm, der damalige bayerische NSDAP-Kultusminister, war kurz vorher bei einem Flugzeugabsturz gestorben. Fahnenappelle, Kameradschaftsabende, Körperertüchtigungs-Übungen und Gedenkfeiern waren Teil der Ausbildung der neuen NS-Lehrerschaft.
Der NS-Schulbetrieb wurde erstaunlicherweise bis 1945 fortgesetzt. Ab 1946 nannte sich die Einrichtung „Pädagogische Hochschule“. 1971 wurde sie als erziehungswissenschaftlicher Fachbereich der LMU München angegliedert und Mitte der 1980er-Jahre in die Leopoldstrasse verlegt.
Zu Richard Suchenwirth schreibt Wikipedia (Stand 6/2009):
Richard Franz Josef Suchenwirth (* 8. Oktober 1896 in Wien; † 15. Juni 1965 in Herrsching am Ammersee; bürgerlicher Name bis 1922: Richard Suchanek) war ein Historiker und Mitbegründer der österreichischen NSDAP. Er studierte in Wien Geschichte und Germanistik, und promovierte 1920.
Suchenwirth war Mittelschullehrer und gründete am 4. Mai 1926 in den Wiener Sofiensälen die österreichische NSDAP (zwischen 1927 und 1931 ausgetreten), war ab 1934 illegal aktiv, hielt sich in Eichgraben im Wienerwald auf und wurde zeitweilig inhaftiert; in dieser Zeit verfasste und publizierte er die „Deutsche Geschichte“, eine historische Monographie aus großdeutscher Perspektive, die in den 1930er Jahren in einer Auflage von mehreren hunderttausend Exemplaren verbreitet wurde. Im Juni 1934 flüchtete Suchenwirth nach Deutschland, wo er als Standartenführer in der Österreichischen Legion und bis Anfang 1936 als Geschäftsführer der Reichsschrifttumskammer aktiv war, und wurde schließlich aus Österreich ausgebürgert. Er war dann von 1938-1945 Mitglied des Deutschen Reichstags, hatte aber nur geringen politischen Einfluss. Von 1936 bis 1942 war er Rektor der Lehrerhochschule Pasing, dann München-Pasing, und von da an bis 1945 Professor an der Universität München. Nach dreijähriger Kriegsgefangenschaft war er wieder Lehrer an einer Privatschule in Düsseldorf und freier Mitarbeiter der Historical Division des U.S. War Department zur Erforschung der Geschichte des Luftkriegs.
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