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Jahr: 1918
Bemerkung:
ArtikelNr. 4340

 

E-Mail

Georg III, Prinz von Sachsen Meiningen, Briefe 1918. Lebensmittel-Schieberei

Konvolut von 6 im Jahr 1918 verfassten Briefen des Rittmeisters Prinz Georg III von Sachsen Meiningen. Aus den Briefen geht hervor, daß der Prinz an illegaler Lebensmittelschieberei beteiligt war.

Obwohl Georg Prinz von Sachsen Meiningen (1892-1946) die Briefe mit einem nicht zweifelsfrei zu entziffernden Spitznamen signierte, ist seine Urheberschaft gesichert. Bei Kriegsausbruch standen nur 2 Prinzen von Sachsen-Meiningen im Feld (Ernst und Georg), Ernst fiel jedoch bereits 1914. Georg verbrachte den Krieg in diversen Etappenpositionen (der Gotha von 1917 schreibt z.B.: „Kdt. z. Gen.Kdo. 6. Res.Kps.“), seine Offiziersposten im Dragoner Regiment 16 und (à la suite) im IR 95 scheint er niemals angetreten zu haben. Am 27.1.1918 wurde er zum Rittmeister (d.i. Hauptmann) ernannt. Der Prinz tat, nachdem er eine ungewisse Zeit in Marché stationiert war, Dienst in Verviers beim Stab eines kommandierenden Generals der Luftstreitkräfte. Georg III lokalisierte die hier gezeigten Briefe rätselhafterweise oft mit „Großes Hauptquartier“ („Gr.H.Q.“), das 1918 allerdings in Spa und nicht in Verviers untergebracht war.

Die Schreiben fanden sich im Nachlass der Elfriede E., einer ehemaligen Mitarbeiterin der Kreiswirtschaftsstelle Marché. Elfriede scheint in den Prinzen verliebt gewesen zu sein, dem sie gemeinsam mit ihrem Vorgesetzten, dem Zivilkommissar von Marché, unberechtigterweise Lebensmittel der Kreiswirtschaftsstelle zukommen ließ.
Zu Marché ist bei cassiodor.com ein weiteres Konvolut aus dem Nachlass der Elfriede archiviert, das möglicherweise ein Photo des Etappen-Prinzen enthält.

- Brief 1: Verviers, 29.4.1918 (4 Seiten, 8°, mit Umschlag, handschriftlich; Brief und Umschlag durch Mäusebiss lädiert, Text teils zerstört. Umschlag verso mit 2 schönen Aufklebern (Wappen der Sachsen-Meininger), vorne mit Stempel „Abs. Rittmeister Prinz v.S.Meiningen“, ungelaufen obzwar als „Feldpost“ markiert). Im Adressaten betitelt der Prinz die Elfriede mit „Leiterin der Verkaufsstelle beim Zivilkommissar“, im Brief nennt er sie „Quackelchen“. Der Prinz ist in Verviers stationiert, das Schreiben wurde von seinem Burschen, der nach Marché fuhr, transportiert. Meiningen schreibt: „... Ich bin Ihnen sehr dankbar für die schönen Sachen, die Sie mir hierher mitgebracht haben und hoffe, dass .... [unles., wohl ein Personenname] Fischzug im Marche auch ergiebig sein wird. ... Da nun eine ständige Courierpost nach Marche durch meinen Burschen eingerichtet wird, kann er für Sie ja das nächste Mal noch etwas mitbringen, Sie müssen nur sagen was. ...“
- Brief 2. Verviers, 5.5.1918 (handschriftlich, 4 Seiten, 8°, geringer Textverlust durch Mäusebiss). Der Prinz schreibt von einem gewissen Beutner [Zivilkommissar von Marché], dem er einen Platz im Schlafwagen nach Berlin reserviert habe, dazu erfahren wir von seiner Wunschliste: „... möchte ich noch schnell aufschreiben, was ich wennmöglich diesmal außer den 3kg ... [unles.] haben möchte: 5 kg Zucker, 1kg Haferflocken, 1 Pfund Kaffee.“
- Brief 3: Großes Hauptquartier (Gr.H.Q.), 18.5.1918 (4°, 1 Blatt, handschriftlich, Faltfalzen): „... Meinen Wunschzettel habe ich diesmal Beutner geschrieben. ...“
- Brief 4: Gr.H.Q., 26.6.1918 (1 Blatt, 4°, maschinenschriftlich, signiert): „Liebes Quackelchen, was sind denn das für Sachen?! Nanu – nanu – nanu! Ich soll nichts mehr kriegen, auch nicht ein ganz kleines bischen für den eigenen Bedarf. Das ist aber traurig. .... Alles geht vorüber und tüchtige Menschen machen ihr Fehlen um so mehr bemerkbar. Beutner konnte eben seine Sache und handelte schnell im rechten Augenblick. Dabei hatte er den richtigen Blick für Menschenbehandlung, daß er alles tun konnte, ohne auf Reibungen zu stoßen. Beutner war eben die Seele der ganzen Sache. Nun er weg war, war es ein leichtes, Geßler die Sache so zu stecken, daß er strikte jede Ausfuhr von Lebensmitteln nach anderen Kreisen untersagte. Schade. Ich habe in letzter Zeit mit dem was ich bekam manchen armen Menschen eine Freude machen können, denn für mich selber brauchte ich ja nur den kleinsten Teil. Wenn ich das gehamstert hätte, würde ich jetzt einen schönen Vorrat haben. ... Wenn ich schließlich noch hie und da Eier bekommen könnte. Die kosten hier über eine Mark und sind gar nicht zu erschwingen. Aber das fällt ja wohl alles unter die gesperrten Güter. Ich möchte mich nochmals bedanken, daß Sie mich immer so gut unterstützt haben und mir alles so schön verpackten...“
- Brief 5, Gr.H.Q., 6.7.1918 (ein Blatt, maschinenschriftlich): „Meinen Burschen mit meinem letzten Brief hatte ich gerade abgeschickt, als ihr Brief vom 27.6. hier eintraf. Und dann kam mein Bursche zurück und brachte mir noch etwas Butter mit. ... Es tut mir leid, daß es darüber auch Quatschereien gegeben hat, daß ich von Ihnen so gut unterstützt wurde. ... Mit dem einen Kilo werde ich nun hoffentlich noch zwei bis drei Wochen reichen, trotzdem ich mit meinem Burschen noch brüderlich geteilt hatte. Wenn dann wieder einmal so eine Sendung von einem Kilo unter der Hand möglich wäre, würde ich sehr dankbar sein. Das würde ja wohl auch nicht dem Verbot des Grafen Geßler widersprechen, daß keine auswärtigen Kreise regelmäßig [„regelmäßig“ ist handschriftlich eingefügt!!!] beliefert werden dürfen. Wissen Sie denn, wann Beutner wieder zurückkommt? Oder ist er für die belgische Zivilverwaltung jetzt ganz verloren gegangen und bleibt in Berlin? Ist auch noch nicht bekannt, in welchen Kreis er eventuell kommen wird? Wenn, dann würden Sie ja wohl mit der Verkaufsstelle auch dorthin übersiedeln.“
- Brief 6, Gr.H.Q., 6.7.1918 (mit Umschlag, dieser als Feldpost gelaufen, mit Stempel „Der kommandierende General der Luftstreitkräfte“, ein Blatt, 4°, Faltfalzen): „Gerade hatte ich einen Brief an Sie in den Kasten gesteckt, in dem ich für die letzte Sendung dankte und schrieb, daß ich mich über eine Gelegenheitssendung sehr freuen würde, da kam ... [unles., Personenname], brachte Ihre Grüße und Pakete! ...“

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