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sylvesterschaeffer.jpg

Jahr: 1925
Bemerkung:
ArtikelNr. 4252

 

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Sylvester Schäffer Nummer, München 1925, Vertrieb Georg Prell

Sonderdruck, 4°, 6 Seiten, s-w-Abb., Druck bei Stähle & Friedel, Stuttgart. Läsuren an Falzkanten, fleckig, lichtrandig, fingerfleckig, sonst gut. Das seltene Stück ist in schlechtem Zustand, besonders die Läsuren an den Falzkanten geben dem Heft eine äusserst fragile Anmutung. Ob der Attraktion, die noch heute von Schäffer ausgeht, ist das Relikt dennoch von großer Ausstrahlung.

Es handelt sich um einen Druck, den der bayerische Volksmusikant und Komponist Georg Prell, Vater der berühmten Bally Prell, 1925 herasgab und wohl auch verfasste. Da der Autor angibt, bei Dreharbeiten anwesend gewesen zu sein, ist höchstwahrscheinlich, daß er mit SS bekannt war, und dazu, daß das Heft mit Wissen des Meisters publiziert wurde.

Auf der Titelseite sieht man den Schäffer hoch zu Roß, darüber steht „Sylvester Schäffer Nummer, mit Illustrationen und Besprechung seiner Person“. Seite 1 zeigt ein Ganzkörperportrait des SS in pseudo-altrömischer oder griechischer Kleidung, dazu heisst es „Sylvester Schäffer in seinen olympischen Spielen“. S. 3 mit Photo einer Villa am See, betitelt „Der Künstler vor seinem Besitztum mit Blick auf den Sylvester See“ [gemeint ist der Karbuschsee in Groß Köris, Brandenburg].
Folgend wird kurz die Biographie Sylvesters erzählt und sein Programm dargestellt. Dazu Photos mit lustigen Titeln: „Sylvester Schäffer auf der Jagd, begleitet von seinem zahmen Bock“ (einem Rehbock) und „Der Künstler inmitten seiner von Indianern geschenkten Erinnerungen“ (S.S. in rustikalem Haus).
Zum künstlerischen Programm des Meisters heisst es: „Ein Blick auf das Programm von Sylvester Schäffer zeigt das Menü dieses phänomenalen Künstlers, das fast zu reichhaltig ist. Im Rahmen einer prachtvollern eigenen Dekoration .... führt uns dieser Tausendsassa ein mehr als einstündiges .. Zirkusprogramm vor, assistiert von Lilli Krüger, einer äußerst sympathischen Tänzerin, und zwei drolligen Statisten. ... Ansprechende Zauberstücke werden abgelöst von japanischen Jonglierkünsten mit besonderer Betonung ganz hervorragender Ballettgymnastik. Weiter betätigt er sich als raffinierter Harlekin und Schnellkunstmaler, reitet hierauf mit gleichem Geschick die hohe Schule, macht, umgeben von Has, Reh und Hund, einen Jagdausflug in den Wald und zeigt dabei seine Schie0gewandtheit. Wieder verwandelt, ist Sylvester Violinenvirtuos mit Kreislerschen und Beethovenschen Stücken, produziert sich als amerikanischer Straßenmusikant mit ganz fabelhaften Geigenstellungen. Den bildschönen Vorführungen als griechischer Krieger und Athlet folgen als Schlußapotheose zwei wundervolle ‚lebende Bilder’, Parzival und griechischer Streiter.“ (S.3-4). Seiten 3, 4 und 5 bringen dazu Bilder aus dem Film „Der Eierheld“, sowie Portraits von SS und Lilli Krüger.

Schäffer (1885-1949) stammte aus der Mark Brandenburg und verzog später nach Bayern. Bis 1935, als er gen USA (Hollywood) auswanderte, lebte er am Starnberger See.
Schäffer war wohl der beliebteste Varietékünstler der 1920er Jahre. Er arbeitete als Ikarier, Zauberkünstler, Hundedresseur, Äquilibrist (Gleichgewichtskünstler), Violinenvirtuose, Schnellmaler, Kunstschütze, Schulreiter, Athlet und Jongleur, sodass er als „Einmannvarietée“ bekannt wurde.
Besonders beliebt war seine Kraftakrobatik, bei der er als olympischer Streiter einen römischen Kampfwagen belancierte und als „Riese Atlas“ einen gewaltigen Globus auf den Schultern trug, dem fünf die Erdteile repräsentierende Personen entstiegen. Seine in den USA begonnenen Erinnerungen blieben leider unvollendet.

Heute ist SS vergessen. In keinem Wikipedia findet sich ein Eintrag zum Künstler (Stand 3/2009).

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