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Jahr: 1938-1943
Bemerkung:
ArtikelNr. 3904

 

E-Mail

Feldpost 1938-1943. 7. Inf.-Div., Wehrmacht. Sudetenland, Polen, Frankreich, Rußland.

Feldpostkonvolut des Soldaten Rudolf A. der 7. Infanterie-Division an den elterlichen Haushalt in München. Das Konvolut wurde 2009 bei einem Trödler in München erworben.
Gesamt 53 Schreiben (12 Postkarten, 32 Briefe, 8 Ansichtskarten) und ein Photo. Die Briefe sind zumeist mit den Briefumschlägen erhalten, diese gelaufen und gestempelt. Die Stücke berieben, im Ganzen gut erhalten. Rudolf schreibt teils an die ganze Familie (Eltern und Geschwister), teils nur an die Mutter, vereinzelt an die Schwester.
Es ist höchstwahrscheinlich, daß nicht jedes Schreiben des Soldaten an den elterlichen Haushalt erhalten, ergo die Überlieferung lückenhaft ist.

Bemerkenswert:
- Brief vom 29.8.1939, der trotz Postsperre von der Slowakei nach München gelangte (Transport wohl in privatem Wagen oder Wehrmachtsfahrzeug; Umschlag mit Münchener Poststempel, kein Absender).
- 1939: Rudolf schreibt während des Polenfeldzuges oft auf Vordrucken der Armee: „Nachrichtenverbindungen Fernsprech-/Funk-Blink-Netz“, hergestellt von „Druckerei Gen Kdo. VII A.K. München“.

A. dient 6 Monate beim RAD (Abtl. 4/305, Marktoberdorf), von Oktober 1935 bis März 1936. Danach leistet er wohl bei den Gebirgsjägern in Kempten seinen Militärdienst ab. 1938 ist er als Fahrer bei der in München stationierten 7. Infanterie-Division eingesetzt. Beim Einmarsch in das Sudetenland ist er beteiligt. Am Polenfeldzug nimmt er als Mitglied eines Divisionsstabes (wohl der 7. Division) teil. 1940 bis 1943 ist A in Frankreich stationiert, meist in Paris. Welche Tätigkeit er ausübt, bleibt unklar. Im Herbst 1943 versetzt man ihn nach Rußland, wo er im November schwer verwundet wird und einen Fuß verliert. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt.
1939 war A. Gefreiter, 1940 Unteroffizier, Mitte 1943 Feldwebel, Ende 1943 Oberfeldwebel. Er diente ab 1936 ohne Unterbrechung bei der Wehrmacht.

Die Briefe der Jahre 1938 und 1939 scheinen von erheblichem Quellenwert, da hier Ereignisse geschildert werden, die wohl nicht jedem bekannt sind. So war mir neu, daß in der Woche vom 14. zum 21. August 1939 deutsche Soldaten, die in der befreundeten Slowakei stationiert waren, ihre Uniform auszogen, um sich als Tourist verkleidet in den umliegenden Dörfern einzumieten.
Einen parallelen Einblick in das Geschehen bietet die Geschichte der Division (Hertlein, Wilhelm: Chronik der 7. Infanterie-Division, München 1984). Der Einmarsch in das Sudetenland ist auf den Seiten 24 bis 26 geschildert, der Polenfeldzug auf Seiten 32 bis 38. Die Division verblieb nach dem Westfeldzug bis zum 8.4.1941, als sie gen Osten in Marsch gesetzt wurde, als Besatzungseinheit in Frankreich. Da Rudolf jedoch noch 2 Jahre in Frankreich Dienst leistete, ist es höchstwahrscheinlich, daß er in eine andere Truppe versetzt worden war.

1938. Einmarsch in das Sudetenland. Schreiben von Grafenau, Kuschwarda (tschech. Strazny) und Winterberg (tschech. Vimperk) nach München, September-Oktober.
3 Briefe (in einem Umschlag aufbewahrt), 2 Ansichtskarten.

20.9.1938 (Ansichtskarte Grafenau): „Sind gestern Abend um 5.00h hier angekommen, sind also 12 Std. lang gefahren….“
28.9.1938 (Ansichtskarte Grafenau, am Horizont handschriftlich eingezeichnet „Grenze“ an Gebirgskamm): Wir sind seit Montag wieder zurückgekommen nach Grafenau, fahren aber morgen früh um 02’00 wieder vor nach Szeguny [? Strazny?]. ..“
2.10.1938: „… Nun sind wir schon ganze 24 Stunden in der Tschechei. Der Einmarsch war für mich sehr schnell. Ich bin allein mit meinem Wagen noch in Freyung gewesen als unsere Kompanie bereits über die Grenze fuhr. Abends um 19.00 Uhr bin ich dann mit Volldampf nachgefahren. … In dieser Ortschaft [Kuschwarda] sind aber die meisten Einwohner bereits geflüchtet vor den Tschechen. So sind hier also lauter Soldaten. Quartiere dürfen wir aus Vorsicht vor evtl. Überfällen von Kommunisten nicht beziehen. In der Nacht liegen wir im Wagen mit schussbereitem Gewehr. … Jetzt marschiert gerade Infantrie in die Ortschaft. Diese werden von den bereits zurückgekehrten Sudetendeutschen jubelnd begrüßt. Bei uns wars noch ganz ganz ruhig, wie ausgestorben, denn einige Stunden vor unserm Einmarsch sind die Tschechen erst abmarschiert. Außer einigen Alleebäumen, die quer über die Straße gelegt wurden, haben sie uns keine Hinderniße gelegt. Verschiedene Geschäfte sowie die hiesige Postanstalt haben’s vor dem Abmarsch noch in Trümmer geschlagen. …“
14.10.1938: „… Außerdem ist ein Befehl herausgekommen, dass wir überhaupt nichts kaufen dürfen, außer Essen, Rauchwaren und Getränke. Ich habe aber trotzdem noch 4 Paar Schuhe kaufen können, denn diese sind hier verdammt billig. Durch das neue Währungsverhältnis 1:8 sind wir wieder stark benachteiligt worden. Vorher stand es 1:10, also für 1.- RM bekam man 10 Kronen. Die Leute verdienen hier sehr schlecht, z.B. ein Handwerker durchschnittlich -.30 RM Stundenlohn. …“

1939. Polenfeldzug. Ab 8. August 1939 ist der Gefreite A. in der Slowakei stationiert, wohl beim Berg Wysoka. Die dort geschriebenen Briefe wurden allerdings von Neutitschein, Poststelle Troppau, als zivile Sendungen verschickt. Am 29.8.1939 steht A. im Bezirk Bytca (Okres).
Schreiben von Starnberg nach München (Mai), dann von Cadca, Bumbalka, Neutitschein, dann Bezirk Bytca (Slowakei), später Polen nach München.
10 Briefe, Mai (1x), August bis Dezember; 4 Ansichtskarten (2x gel. per slowakischer Post, 1x dt. Feldpost, 1x dt. zivil).

16.8.1939: „... Wir haben hier einen sehr ruhigen Dienst ....“
22.8.1939: „… Die vergangene Woche bin ich als Zivilist herumgelaufen, da bekam ich pro Woche 3.- RM anstatt der Verpflegung. … Heute bin ich leider wieder zur Kompanie zurückgekommen. Das war natürlich sehr bitter, denn als Zivilist hatte ich ein pfunds Leben. Jetzt beginnt wieder das Exerzieren und Geräteinstandsetzen. Nun wie haben ja nicht mehr lange bis zum Ausscheiden. Unsere Parole lautet 32 Tage. In dieser unsrer letzten aktiven Dienstzeit wird’s nichts mehr geben, das uns aus der Ruhe bringt. Nach dem Nichtangriffspakt mit Russland wird unsre Mission hier auch beendet sein. …“
29.8.1939: „… Braucht keine Angst haben dass es los geht. Die Engländer, mit Ihnen auch die Polen geben bestimmt nach. … Unser Laden läuft ganz normal. … Die längste Zeit waren wir auf Übung. … Mit dem Päckchen wird’s wahrscheinlich nichts werden, denn die Postsperre wird wahrscheinlich bis 5.9.39 dauern. Den Brief konnte ich einem Wagen mitgeben, der nach München fuhr. …“
4.9.1939: „120 km vor Krakau. … Unsre Division hat wenig Wiederstand [sic]. Daher rücken wir rasch vorwärts. Bis auf einige Verwundete hats bisher noch keine Opfer gegeben. Die Polen hauen ja immer gleich ab wenn wir kommen. Mir kommts immer vor, als wären wir auf Übung.“
12.9.1939: „12 Tage ists nun her, dass wir in Polen einmarschiert sind. Über 300km sind wir in dieser Zeit vorgedrungen. Bis heute haben wir sehr wenig Verluste. … Es ist wie auf einer Übung. … Vor uns liegt jetzt 1 Panzerdivision, dann kommt die 1. Gebirgsdivision, dann erst kommen wir. …“
14.9.1939 (Ansichtskarte mit Ortsansicht Dobczyce): „… Haben heute Ruhetag gehabt. War dringend notwendig, unsere Sachen sind voll Staub. …“
19.9.1939: „… Am 15.9.39 hat unsre Division die Festung Przemysl genommen. Da hat unsre Artillerie reingefunkt und vorher die Flieger, dass wir von der Festung nimmer viel gesehen haben. Die feindliche Artillerie ist gar nicht zum Schießen kommen. Genau so war es auch wie wir die Bunker gestürmt haben. Zuerst hat unsre Artillerie drauf geschossen und dann die ‚Pak’, da hats die Polen rausgehauen. Die ‚SS’ ist auch dagewesen (‚Standarte Germania’). Die sind aber vorgestern wieder heimgefahren. Nun, wir werden auch nicht mehr allzu lange hiersein. Die Russen marschieren uns nämlich entgegen. Jetzt kennen sich die Polacken überhaupt nimmer aus. …“
4.10.1939: „… An dem Tag, an dem wir Lemberg stürmen sollten, ist der Befehl (vom Führer selbst) gekommen, dass Lemberg von den Russen genommen wird. Daß uns das gefreut hat, könnt ihr euch denken. Denn dieser Sturm hätte vielen von uns das Leben gekostet. …“
11.10.1939 (Postkarte aus Heilbronn): „… Sind nun auf der Fahrt nach dem Westen…“

1940. Etappe Frankreich. Schreiben aus Frankreich (ab September aus Paris) nach München, Juni bis Dezember.
6 Briefe, 3 Postkarten. Es geht primär um Waren, Sehenswürdigkeiten und Geld – die Theorien des Götz Aly (Hitlers Volksstaat, 2005) sind hier erneut bestätigt.

11.6.1940: „… Nun sitz ich hier im schönen sonnigen Frankreich. Besonders gut tut mir das warme Klima und der gute Wein. …“
19.6.1940: „Hoffentlich habt ihr meine kleinen Feldpostpäckchen alle erhalten. Ich werde das in Zukunft öfters so machen. Vielleicht bekomme ich wieder mal einen größeren Posten von Gebrauchsartikeln billig. Ende dieser Woche fahre ich nach Brüssel. Da schau ich schon, dass ich Kaffee und Tee bekomme. Übermorgen bin ich in Paris. Bin gespannt wies drinnen ausschaut. … Gefangene werden z.Zt. in Massen nach rückwärts transportiert….“
23.11.1940 (aus Paris): „Inliegend sende ich dir die oft gewünschten Zimtstangen. … Schokolade und Kakao gibt es schon seit langer Zeit nimmer. Im Allgemeinen gleicht Paris und dazu Frankreich einem ausverkauften Laden. Nur mehr ganz teure Sachen kann man jetzt haben. …“

1941. Etappe Frankreich. Schreiben wohl allesamt aus Frankreich (Paris und Atlantikküste (Rudolf ist auf einem Lehrgang); die Ortsbezeichnungen sind abgekürzt (oft „P.“, oder es heißt „O.U.“, einmal „Im Westen“).
8 Briefe, 2 Postkarten, 2 Ansichtskarten

24.8.1941 (aus ?). „… Ich hab dir heute 2 Pakete gesandt. In einem sind Pralinen, Handschuhe, Paprika, Nelken, Kapern und Parfüm für dich, und in dem zweiten sind Zwiebel für dich und ein guter Rasierpinsel für Vater. ...“
8.10.1941 (Ansichtskarte aus Behobie an der Grenze Frankreich/Spanien, verschickt in Briefumschlag): „Bin mit einigen Kameraden für einige Tage auf Urlaub an die spanische Grenze zum Baden und Erholen weggefahren…“

1942. Etappe Frankreich. 1 Brief vom 2.1., Paris nach München.

1943. Rußland. 11 Schreiben, sämtlich an die Mutter adressiert. Mai bis November 1943, 10x aus Russland nach München.
7 Postkarten, 4 Briefe.

26.5.1943: „Ich kann dir zu deiner Beruhigung mitteilen, daß ich am 31.5.1943 nach Potsdam versetzt wurde. Nach genau 3jährigem Aufenthalt in Frankreich kehr ich zurück in die Heimat. ...“
21.7.1943: „... weil ich seit gestern Abend auf dem Wege nach Rußland bin. ... Ich muß auch das mal mitgemacht haben, denn Osterfahrung braucht jeder Soldat heute. ...“
23.11.1943: „... Ich bin jetzt in einem Lazarett in Minsk gelandet. Es geht mir schon bedeutend besser. ... Nur den Kopf nicht hängen lassen, wenns auch schwer fällt. Schlimm ist halt, daß ich blos mehr einen Fuß hab. Bis ich da drüber weg bin, das dauert schon noch seine Zeit. Bei der ganzen Geschichte hab ich trotzdem noch ein großes Glück gehabt, daß ich überhaupt mit dem Leben davon gekommen bin. ...“

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