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Jahr: 1915-1917
Bemerkung:
ArtikelNr. 3813

 

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Fotoalbum 1915-1917: Heimatfront Deutschland, Dittweiler, Landau in der Pfalz, Offiziere 18. bay. IR

Fotoalbum, 8°, Leineneinband, in Kordelbindung, ca. 220 s-w-Abzüge à 4x6cm. Fotos gekonnt auf weisse Pappe, diese dann ins Album montiert. Guter Zustand. Das Album wurde 2008 bei Ebay ersteigert. Alle Fotos sind handschriftlich datiert und mit einer Nummer versehen. Die bildnerische und handwerkliche Qualität der Fotos ist beachtlich, flaue oder verwackelte Bilder sind selten.

Das Album wurde ehedem in München gekauft, was ein Ladenstempel auf dem vorderen Einbanddeckel beweist.

Die Photos wurden von der in Landau in der Pfalz lebenden Lisl Dittweiler gemacht, sie legte sicherlich auch das Album an. Enthalten sind Bilder, die zwischen dem 18.9.1915 und dem 29.6.1917 aufgenommen wurden. Die Urheberin lebte in einem wohlhabenden Haushalt. Ihr Gatte diente als Offizier beim 18. bayerischen Infanterie-Regiment, er ist auf etlichen Bildern zu sehen.
Einst muß ein Büchlein existiert haben, in dem die Bildautorin detaillierte Angaben zu den einzelnen Fotos eingetragen hatte. Da das Büchlein nicht erhalten ist, und selten dem Archivar bekannten Lokalitäten fotografiert sind, bleibt die genaue geographische Zuordnung vieler Bilder spekulativ. Das erste Foto trägt die Nummer 103, das letzte die 332. Es existierte ein früheres Album, das die Bildnummern 1-102 enthielt (und hier/A> zu sehen ist).



Das Ehepaar Dittweiler gehörte zur Oberschicht Deutschlands. Der Gatte ist im Mai 1917 in Uniform abgebildet, zuvor ausschließlich in Zivil (obzwar er mindestens seit Sommer 1915 als Leutnant beim bay. IR 18 diente). Er wird im Heimatort seines Regiments einen Etappenposten bekleidet haben. Sein Gesicht zeigt auf keinem Foto die Todesangst und das Grauen, das sonst bei zeitgenössischen Fotos aus Soldatengesichtern nicht wegzudenken ist. Auch die Gattin strahlt auf den meisten Bildern eine Zufriedenheit aus, die mit Mangelerscheinungen, Steckrübenwinter, Angst um Angehörige und ähnliche Kriegs-Dinge nicht vereinbar erscheint.
Aussergewöhnlich ist, daß die (oft gemeinsam gezeigten) Eheleute ihre Liebe füreinander auf den Bildern geradezu öffentlich zur Schau tragen. Die ansonsten in deutschen Alben der Zeit allgegenwärtige Prüderie, Verstocktheit und Gefühlsfeindlichkeit ist hier wie weggewischt.
Da die weibliche Hauptprotagonistin ausserordentlich attraktiv anzusehen ist, erfreuen die zahlreichen Portraitaufnahmen das Auge ungemein.




Im Folgenden sind einige Bilder kurz aufgeführt:
106-128: Bilder einer Burg an einem Fluss, aufgenommen vom 19. zum 27.10.1915. Ein Foto zeigt das um 1559 errichtete Grabdenkmal der Anastasia (geborene von Brandenburg) und des Wilhelm IV. von Henneberg (A. starb 1534, W. 1559). Wo das Grabmal steht, konnte ich nicht eruieren. Wilhelm IV spielte eine bedeutende Rolle in der Geschichte des Hauses Henneberg und damit Thüringens und Mitteldeutschlands.
154-156: Mittelalterliche Stadt (Rothenburg o.d.Tauber?), aufgenommen am 30.4.1916.
160-164: Puppenstube, 2.4. und 19.5.1916.
166-167: Landwehr-Soldat mit Pickelhaube vor dem Abmarsch zur Front, mit gepäcktragendem familiärem Anhang, 30.5.1916.
185-186: Zwei Soldaten und zwei junge Frauen auf dem Dach wohl des Hauses der Protagonisten, der Soldat rechts mit Armprothese, 23.6.1916.
209-211: Religiöse Prozession in einer Stadt (München?), einmal mit Trambahn der Linie 7 oder 17, 30.7.1916.
235-236: Frauen bei der Heuernte, 16.9.1916.
237-240: Frauen bei Spaziergang in mittelalterlicher Stadt, 24.9.1916.
267-268: Frauen bei Denkmal Dieuze, 6.11.1916.
269-271: Frauen in nachgebautem Graben, wohl anl. einer Kriegsausstellung, 6.11.1916.
287-289: Bauernfamilie mit Bauernhof, 25.4.1917.
321-322: Frauen bei der Heuernte, 22.6.1917.
329-332: Szenen in mittelalterlicher Stadt (Nürnberg?), 29.6.1917.

Bemerkenswert ist eine um den 6. November 1916 geschossene Bildreihe von ca. 10 Fotos. Da sehen wir lachende Frauen mit Handgranaten-Attrappen in einem aufwändig ausgebauten Graben, Frauen vor einem im Bau befindlichen Denkmal, Frauen und wohl deren Männer mit Tennisschlägern in einem Park, die Protagonistin mit uniformiertem Gatten.
Das gezeigte Denkmal befindet sich heute im Areal eines Soldatenfriedhofes zu Dieuze in Lothringen. In dem Friedhof liegen rumänische Kriegsgefangene begraben, die während des Ersten Weltkrieges von den Deutschen (völkerrechtswidrig) an der Westfront zu Hilfsarbeiten eingesetzt worden und dabei gestorben waren.
Es ist wahrscheinlich, daß das Denkmal in Dieuze geschaffen worden war, denn ein Transport erscheint zu aufwändig. Vielleicht war der Gatte mit Friedhofs-Angelegenheiten befasst. Dieuze gehörte 1917 noch zum deutschen Reich und hieß Duß, der Ort lag allerdings nur ca. 25km hinter der Front – was de Aufenthalt der Gattin eher unwahrscheinlich macht. Rätselhaft!

(c) Ingo Hugger  2020 | livre@cassiodor.com