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Jahr: |
1916 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
3713 |
E-Mail
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Röntgen-Atlas [Röntgenatlas] der Kriegsverletzungen, herausgegeben von den leitenden Ärzten der Lazarettabteilungen des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg unter Redaktion von Prof.Dr. H. Albers-Schönberg (Röntgeninstitut). Autoren: Wiesinger, Deneke, Ringel, Franke, Saenger, Seefeld. Vlg. Gräfe & Sillem, Hamburg 1916.
4°, Leineneinband, 109 Textseiten mit einigen s-w-Abb., Tafelteil von 75 Tafeln (mit ca. 250 s-w-Abb., überwiegend photographische Originalabzüge nach Röntgenbildern, vereinzelt eingedruckte Bilder). Die Photo-Tafelseiten bestehen aus meist 4 Belichtungen auf einem kartonstarken Photopapier-Blatt. Die Stereoskopie-Tafeln (Nr. 62-75) wurden von Hand eingeschoben in feste Papp-Seiten, zur Betrachtung sollte man die Tafeln herausnehmen „und in einem gewöhnlichen Handstereoskop besehen“ (S.99).
Vorliegendes Exemplar mit leichtem Wasserschaden, Block etwas gewellt, Seiten teils mit Wasserrand, ca. 8 Blatt mit Papierspur der vorigen Seite (entstanden durch das gewaltsame Lösen zweier aneinanderklebenden Blätter); Titelei fingerfleckig, mit Randläsur oben (2cm), Stempel („Allgemeines Krankenhaus Eppendorf, Hamburg, Ärztliche Bibliothek“) und oben handschr. Signatur; Bindung minimal gelockert; Einband fleckig, mit Tesaspur und Stempel. Photoabzüge teils etwas rötlich eingefärbt. Sonst gut.
Trotz der Mängel alles in allem in noch gutem Zustand. Die Gebrauchsspuren geben dem Band gar einen Hauch von besonderer Geschichte - vielleicht wurde der Titel im Zweiten Weltkrieg beschädigt und dann aus den Eppendorfer Krankenhaus-Bibliotheksbeständen ausgemustert.
Im Ganzen sind ca. 150 Patientengeschichten in Bild und Text dargestellt. Teils sind die Verletzung eines Soldaten auf einer Tafel wiedergegeben, teils auf mehreren. Die „Krankengeschichten“ sind im gleichnamigen Textkapitel (SS. 35-106) dargestellt, zumeist erfährt man, wie, wann und auf welchem Kriegsschauplatz ein Soldat verwundet wurde und wie der Heilungsprozeß vorangeschritten war.
Auf den Röntgenbildern sieht man eingewachsene Schrapnellkugeln und Projektile, zersplitterte Knochen, zertrümmerte Gesichter, zerfetzte Hände und manch Schauerliches mehr.
Aus dem Vorwort: „Die Auswahl der Fälle aus dem überaus grossen Material der dem Reservelazarett II angegliederten Krankenhausabteilungen wurde von dem Gesichtspunkt aus getroffen, sowohl seltene und klinisch wichtige, als auch typische sich oft wiederholende Verletzungen ... vorzuführen. ... Dem Atlas sind Stereobilder von besonders für diese Darstellung geeigneten Fällen beigegeben, um den großen Wert der Stereoskopie für die Projektillokalisation und die klinische Berurteilung der Schußfrakturen zu zeigen.“
In der „chirurgischen Vorbemerkung“ erklärt T. Ringel (S.1): „Unter der Zahl der Kriegsverletzungen, welche in die Heimatlazarette in Behandlung kommen, nehmen naturgemäß die Verletzungen der Extremitäten, und von letzteren wiederum die Knochenschüsse die erste Stelle ein. In den ersten Monaten des Krieges, während des schnellen Vormarsches der deutschen Heere durch Belgien und Nordfrankreich, und auch später nach den großen Schlachten in Ostpreußen und der Offensive in Littauen [sic] und Kurland gelangten eine große Zahl von Verwundeten zur Aufnahme in unser Krankenhaus, deren Verletzung nur wenige Tage vorher stattgefunden hatte, während in der Zeit des Stellungskrieges meist solche Verwundete in unsere Behandlung kamen, die schon mehr oder weniger lange Zeit in Kriegslazaretten ... behandelt worden waren, so daß unsere Erfahrungen sich auf Knochenschüsse in den verschiedensten Stadien erstrecken.
Bei den Knochenschüssen durch das französische Infanteriegeschoß aus Kupfer handelte es sich in der Regel um Durchschüsse mit kleinem Einschuß und etwas grösserem Auschuss ... In vielen Fällen fanden sich auch Steckschüsse, bei denen meist das Projektil in der Nähe der Fraktur mit umgebogener Spitze saß.
Ganz ähnlich lagen die Verhältnisse bei Schußverletzungen durch das russische Infanteriegeschoß, wenngleich es hier auch häufiger zur Zertrümmerung des Projektils gekommen war, mit daraus folgender schwerer Weichteilzerreißung.
Das englische Infanteriegeschoss, welches einen geteilten Blei-Aluminiumkern hat, war bei Knochenschüssen stets in viele Teile zerrissen, von denen die meisten in der Wunde zurückgeblieben waren; häufig fand sich überhaupt kein Ausschuß. ...
Bei Schußverwundungen der Extremitäten durch Schrapnellkugeln sahen wir mehrfach glatte Durchschüsse ohne Eiterung. Waren die langen Röhrenknochen getroffen, so war die Splitterung im Gegensatz zu den Gewehrschüssen keine sehr ausgedehnte, und die Heilung verlief ohne Komlikation. Häufiger handelte es sich jedoch um Steckschüsse, bei denen die Bleikugel mehr oder weniger deformiert war. ...
Verletzungen durch Granatsplitter waren fast immer mit starker Weichteilzerreißung verbunden, die dann ebenfalls zur Infektion führte. ...“
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