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Jahr: 1915-1916
Bemerkung:
ArtikelNr. 3708

 

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Erinnerungsalbum 1915-1916 der Krankenschwester Dora Auvera. Reservelazarett D, München.

Erinnerungsalbum der bayerischen Krankenschwester Dora Auvera, 1915-1916. 8°, Leinwandeinband, ca. 150 Seiten, einige s-w-Fotos und handgefertigte Skizzen. Einband fleckig, sonst schön erhalten. In das Buch haben sich gesamt 139 deutsche Soldaten eingetragen, die in dem Reservelazarett D in München gelegen hatten. Das Lazarett war im neuen Zollgebäude (heute Hauptzollamt) an der Landsbergerstrasse 124 untergebracht (einmal im Buch „Zollhalle“ betitelt).
Am Tage der endgültigen Gesundung (und Abkommandierung) sprachen die Männer der Krankenschwester Dora Auvera schriftlich ihren Dank aus. Der erste Eintrag datiert auf den 29.11.1915, der letzte auf den 18.10.1916. Teils haben die Soldaten eine oder auch mehrere Seiten beschrieben, teils nur einige Zeilen verfasst. Einige Eintragungen wurden zusätzlich mit Zeichnungen oder Fotos versehen. Auf dem ersten Blatt steht, in kraftvoller Handschrift: „Schwester Dora Auvera“.

Die Lektüre dieser Quelle ist ein schauriges und zugleich rührendes Unterfangen. Soldaten, die zumeist wieder ins schreckliche Kriegsgeschehen geschickt werden, schreiben am letzten Tag ihres Lazarettaufenthaltes einige Worte in das Album einer aufopferungsvollen jungen Frau. Angst und oft ungemein liebevolle Dankbarkeit sprechen aus fast jeder Zeile - wobei es keine Rolle spielt, ob ein Autor gebildet oder im Tone naiver Kindlichkeit schreibt. Auffallend ist, das die Eintragungen immer kürzer wurden, je länger der Krieg dauerte und das Album geführt wurde.




Einige Zitate:

Walter Pichert schreibt am 29.11.1915: „Zeugnis. Hiermit tue ich kund...., das mich unsere allerhöchste Schwester Dora (Kriegspflegerin !!) während einer länglichen Reihe von Monaten unter rührender Aufopferung (bayr. Schikkanierung) fast ins bessere Jenseits hinübergepflegt hätte, wenn - Unkraut unter so gerten Händen vergänglich gewesen wäre! Und darum denkt heute gern und dankbar an Sie zurück, Walter Pichert, ... ‘Expleuristiker’“.

Johann Föhle schreibt am 30.11.1915: „Am 15.6. in .... [Peronne?] mit Lazarettzug weggefahren und nach zweitägiger Fahrt glücklich in München angekommen. Leider hatte ich mehrere Wochen sehr viel auszuhalten, wodurch ich aber durch sehr gute Pflege unser lieben Schwester Dora bald wieder zur Genesung gelangte. Endlich ist der Tag gekommen, wo ich von unser lieben Schwester Abschied nehmen muß. In aller Hochachtung ihr stets gehorsamer Patient, Johann Föhle“.

Josef Thalhäuser schreibt am 8.1.1916: „Erinnerung an Wilna! / Als ich in Rußland war, / hatte ich eines Tages / fürchterlich Durst, so, / das ich vor lauter Hunger / nicht wußte, wo ich über / Nacht bleiben sollte, so / hats mich gefroren. / Frl. Dora für Ihre liebevolle Pflege gewidmet von Ihrem Patienten Jos Thalhäuser“.




Franz Kieler (?) schreibt am 29.1.1916: „Von August bis Oktober hat die Schwester Dora mich in Pfleg genommen, als zum zweiten Mal ich kam, war die Schwester nebenan, doch ich hab sie nie vergessen, und danke ihr von ganzem Herzen, für die liebevolle Pflege im Kriegsjahr 15/16. Der liebevollen Schwester Dora gewidmet von Ihrem sie nie vergessenen Patienten Franz ...“

Wilhelm Sternau schreibt am 4.2.1916: „Die Gegenwart, in der der Mensch lebt, wird nicht genussreich für ihn durch ruhigen Besitz des Erworbenen, sondern durch das Streben nach höheren Zielen. Zur Erinnerung an die vielen ‘friedlichen’ Gespräche, die Sie, liebe Schwester Dora, mit mir geführt haben, überreiche ich voll Ehrfurcht diese bescheidene Widmung. Wilhelm Sternau, Unteroffizier ...“

Eine langes Gedicht von mehreren Strophen dichtet am 5.2.1916 ein Franz Mayer, Vizefeldwebel im IR 180 (?). Er endet sein Werk wie folgt: „Leb wohl! Du blonde Kleine! Die Zeit ruft mich von hinnen. Verzeih, wenn ich nicht weine, alle gut Gedanken ..... Nur kehr ich nimmer wieder, zum Sang der frohen Lebensbäder, und weißt du fern im Westen durch Feind zu Tod getroffen den, der Dir im Herzen gut, so denk, s’war einer von den Besten: Er war ein ‘treues Schwabenblut!’“.



Ein Soldat, der sich „Sammtteppich“ nennt, schreibt am 20.2.1916: „Im Wandel der eisernen Zeiten, in steter Erinnerung bleiben, Die Stunden die vergangnen, in Freude, Schmerz und Bangen. Was wird uns Zukunft bringen, Kampf, Not und heisses Ringen, und dann Sonne klar und rein, Dies, Dora, soll dein Abend sein“.



Am 26.2. dichtet G. Frank-Zeitler vom Infanterie Leib-Regiment: „Aus diesen trauervollen Tagen / von Blut und Tränen halb erstickt, / erfüllt von Seufzern und von stummen Klagen, / wo Not und tausend Schmerzens... blickt, - / aus solchen leiderfüllten Stunden / wo neuem Schmerz nur öffnet sich das Tor , / steigt wie ein ..önig alle Qual zu enden / sieghaft und golden reine Barmherzigkeit empor. O blonde Dora! Zierlich möcht ich sagen / lächelnden Stundes möcht ich danken dir, / das von Barmherzigkeit und Menschenlieb getragen - / die sanfte Hand, die Schmerzen nahm von mir! / Doch jedes Lächeln weicht von meinem Munde / Trittst du zu jeder Stunde zu neuem / Schmerzenslager hin / dann nimm mit ernstem Wort / in ernster Stund / den Herzensdank, den ich dir schuldig bin.“

Artillerist Vaupel schreibt am 3.4.1916: „Draussen toben des Krieges Gewalten, Wir sitzen hier zwischen weissen Wänden und umgeben von lieben Gestalten. Dankesfülle, kaum zu ermessen, schuld ich der Schwester ohne Gleichen. Sollt ich Methusalem’s Alter erreichen, IHRER werd ich nie vergessen.“

Der Landstürmer W. Englert (?) schreibt am 10.4.1916: „Der Krieg und der Mut haben mehr große Dinge getan, als die Nächstenliebe. Nicht Euer Mitleid, sondern Euer Mut bzw. Tapferkeit retteten bisher die Verunglückten.“




Es schreibt ein Vizefeldwebel Heirich (?): „Leiden muß der Mensch auf Erden, dies scheint sein Los zu sein. Doch vergössern die Beschwerden, das halt ich für hundsgemein. Herzlich Dank und alles Liebe komm jedoch auf die herab, die das Leiden mindern helfen, und erretten aus dem Grab, einen Kriegsfreiw., der andauernd zu sterben glaubte. A la Busch gedichtet im Jahre des „Heils“ 1916 u. in Verehrung u. Dankbarkeit gewidmet der Station 2B. Schwester Dora und Gretl und last but not least Herrn Sgt. Grundmann“.

Rätselhaft formuliert ein R. Kapfhammer am 17.5.1916: „Für die ausgezeichnete Pflege und Behandlung auf die Strapazen des Champagne-Feldzuges der lieben Schwester Dora meinen aufrichtigen Dank. 23.4.-17.5.1916“. Humorig oder kritisch schreibt Johann Bernauer (?) „im Mai 16“: Schwester Dora & Gretl für die ordentliche Pflege besten Dank. Wenn auch der ärztl. verordnete Tee manchmal ziemlich lang auf sich warten ließ, so war der Aufenthalt doch ganz befriedigend.“

Simpel gehalten sind indes die meisten der Eintragungen. Hier ein Beispiel. Josef Rosskopf schreibt am 12.4.: „Zur frdl. Erinnerung. Für die liebevolle Pflege während meines 7 Wöchichen Verweilens im Lazarett spreche ich den lieben Schwestern Dora u. Gretl nebst der Josi meinen Dank aus. Ich werde Ihnen ein stettes Andenken bewahren“, Pionier Johann Hirschmann scheint sichtlich gerührt, als er schreibt: „Für die liebevolle Pflege meiner 4wöchentlichen Krankheit spreche ich Ihnen Schwester Dora meinen besten und aufrichtigsten Dank aus. Seien Sie versichert, das [sic] ich Sie nie vergessen werde. Ich werde Ihnen ein stettes Andenken bewahren.“


Mit einem gelungenen Text soll diese Buchbeschreibung enden. Brillant schreibt Hans Herbert am 14.6.1916: „Nachmittags im Lazarett. Kirchenstille herrscht rundum, die Kranken machen die Rücken krumm, und blinzeln in die Sonne dumm. Auf einmal rennt draußen mit Geschrei, ein Rudel Kinder vorbei, und ihre kleinen Stimmen, die sich an alles wagen, jubeln: ‘Siegreich woll’n wir Frankreich schlagen--’ Das Lied haben die Schlaftrunknen gehört, und richten sich auf und lächeln verstört.“




Die Soldaten, die Angaben zur Truppenzugehörigkeit machten, gehörten folgenden Einheiten an:
1. bay. IR (14x), 2. bay. IR (6x.), Inf. Leib-Rgt. (5x), Pion. Ers. Btl. (5x), 1. bay FA Rgt. (4x), ., 12. bay. RIR (3x), 1. Train Ersatz Abtlg. (2x, dazu 1x ... Bataillon), Kraftfahr Ersatz Abteilung (2x), 7. FA Rgt. (2x), 2. bay. LIR, Pionier-Regiment 19, 11. Kurhessisches Pionierbataillon, IR 49, Minenwerfer Abteilung, Gebirgs MG-Abteilung 245, 2. Eisenbahn Ersatz Kompanie, 7. bay. FA Rgt, 5. bad. IR (IR 113), 8. bay. RIR, Kraftfahr Ersatz Abteilung, Landsturm Infanterie Bataillon Wasserburg, 1. Jäger, 1. Res. Jäger Batl., Fernsprech Ersatz Abteilung, IR 64, „bay. I.B. 20“, Reserve Eisenbahn Bau Kompanie, 1. Pionier Battailon, 2. RIR, 1. Telegr. Ers. BatlFunker Ersatz-Abteilung, FA Rgt. 5 (Posen), IR 130, preuß. RIR 3, IR 168, Fernsprech Ersatz Kompagnie, 18. bay. IR, „Immob. Landw. Rgt. 13“, 12. bay. IR, 2. bay. Jäger Batl. z. Alpenkorps, IR 187, 7. bay. RIR, „Scharfschützentrupp No. 42“, Schwere Reiter Rgt., IR 120, 3. bayr. Fußartillerie Rgt., 4. Res. Jäger Btl., 14. Jäger Btl., „Pionier Minenwerfer Ersatz Abteilung“, RIR 118, Minenwerfer Bataillon 4, 7. Garde Rgt., RIR 53, 15. bay. IR. Ca. 5 Truppengattungen konnten nicht eruiert werden. Auch einige Etappenhengste wurden behandelt, so ganze 5 Mitarbeiter des Kriegs Bekleidungs-Amtes sowie ein Angehöriger des „Umladekommando Rosenheim“.




Ein weiteres Poesiealbum der Dora, welches Eintragungen von 1916 und 1917 enthält, ist hier archiviert.

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