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liebenswalde.jpg

Jahr: 1945
Bemerkung:
ArtikelNr. 3696

 

E-Mail

Kleines Notizbuch eines Ausbilders, 1945. Krieg nördl. Berlin. Aus dem Nachlass des Oberleutnant Aschenbach.

Kleiner Jahreskalender eines deutschen Soldaten (Oberleutnant Aschenbach), 1945. 12°, einige farbige Abbildungen, ca. 100 Blatt, partiell mit handschriftlichen Eintragungen; teils fleckig, kleine Eselsohren, sonst gut.

Eigentümer war ehedem ein aus Franken stammender Oberleutnant Aschenbach, der 1945 Offizier an einer Kriegsschule oder Kaserne bei Berlin war (möglicherweise am Truppenübungsplatz Döberitz).
Das Stück wurde wohl für die Angehörigen einer Kaserne (oder eines Zimmers bzw. Stockwerks o.ä. der betreffenden Einrichtung) angefertigt und kopiert (hektographiert?). Dazu sind einige wohl von Hand kolorierte Abbildungen enthalten. Der Einband zeigt ein efeuumranktes Schwert, einen Stahlhelm und die Jahreszahl „1945“. Das erste Blatt mit Fichte-Zitat: „Alle Kraft des Menschen wird erworben durch Kampf mit sich selbst und Überwindung seiner selbst“, auf dem 2. Blatt ist abgebildet ein Baum mit Wappenschild, hinten wohl ein Kasernengebäude; in der Tafel steht „F.A.Z. 514 (0)“, auf einem Spruchband „Viel Soldatenglück im neuen Jahr“.

Die Tage der betreffenden Wochen stehen rechts auf den Doppelseiten, das linke Blatt ist jeweils leer.
Handschriftlich beschriftet sind diverse Doppelseiten, teils wurden Angaben zur Erlebnisgeschichte des Aschenbach festgehalten, teils auch Adressen oder diverse weitere Notizen, A. schrieb teils mit Bleistift, teils mit Tinte. Unten eine Transskription der lesbaren Eintragungen:

21.-27. Januar: links eine mit Bleistift geschriebene Auflistung von 11 Soldaten, verfasst wohl wenige Tage vor der Entlassung A’s aus englischer Kriegsgefangenschaft (Oberfeldkämmerer [„Ofkm“] Beckmann, Oberfeldwebel Pabst, Leutnant Heren, Feldwebel Fischer, Leutnant Brück, Leutnant Renne, Oberwachtmeister Walter, Oberleutnant Ebeling, Hauptmann Hobus, Oberleutnant Aschenbach, Major Langenberg), daneben Zahlenkolonnen unter den Überschriften „Soll“ und „Haben“, in separate Überschrift „H.... We.. Fr.. Fü.. [unleserlich] und Datierung „28.7., 9.40 Uhr“. Vielleicht Angaben zu einem Kartenspiel? Rechts unter dem 25.1.: „Immer noch keine Nachricht von Oppeln und Breslau. Oppeln gefallen“.
28.1.-3.2.: links Zahlenkolonne.
4.2.-10.2.: Unter 8.2. „Lehrgang VII. A (W) 10 Ende“, 9.2. „Pistolenschiessen mit .... [unles], 10.2.: „Liegnitz gefallen“.
4.3.-10.3.: links: „Frage nach dem Dienstzimmer“, darunter „Möbel...stellung genehmigt 2 B..., 1 Tisch, 2 Stühle“. Rechts unter dem 5.3. unleserliche Angaben (wohl über einzelne Männer), unter dem 8/9.3. etliche großteils unleserliche Angaben : „Martin kommt zurück ..... Traudl fährt ab“.
16.3.: „Angriff auf Würzburg“.
18.-24.3.: Links: „Wenn sie das Zimmer nicht räumen, dann schmeisse ich Sie raus“. 18.3.: „Vater kommt nach Würzburg“, 19.3.: „Karte von Lisl, unser Heim ist nun auch zerstört., Mittw. will L. nach M., ob sie weg kommt?“, 22.3.: „Lire fährt nach München“.

25.-31.3.: links: „Von Martha .. u. .. immer noch keine Nachricht. ... soll in ... sein. Wo soll das noch alles hinführen?“. 28. und 29.3.: Diverse Nachrichten über Freunde oder Familienangehörige.
1.-7.4.: Links: „Ostersonntag nachmittags mit 3 Kameraden bei ..., abends daheim. 3.4. Heute wird W. [Würzburg] das erste Mal im OKW.Bericht genannt. Ob Lisl noch weggekommen ist? Die Fronten rücken immer näher zusammen. Bei Wien wird gekämpft, Glogau ist gefallen. Aber hier geht der Dienst unbeirrbar weiter. Mein Lehrgang hatte heute Besichtigung nach neuer Art. Unterricht und ... Habe gleich Nachmittag neuen Lehrgang übernommen. R.... möchte mit den Kindern nach W. kommen. Nun ist es zu spät, unsere Wohnung ist auch vernichtet. Wo mag Lisl sein? Es kommt keine Nachricht durch. Lehrgangsteilnehmerinnen nehmen meine Post mit. Hoffentlich kommt diese an.“ Rechts. 2.4.: „Dienst bis 15.00“. 4.3.: „... Karte von Lisl den 3. März“. 5.3: Vor Würzburg wird schon gekämpft. Wie mag es da aussehen? 6.3.: „Sandkasten. Endlich Post v. L. vom 26.3. L. ist in M. bei den Eltern.“ 7.3.: „Unser ganzer Besitz ist verloren“.
8.-14.3.: Links „Heute Sonntag von ... die Nachricht, daß am 10.III. ... in ... zur Welt kam. Der fdl. Vormarsch bis ..... Was soll werden?? Sp.... kommt von d. Aussenstelle zurück. Berichte niederschmetternd. Wo soll es hier noch einen Ausweg geben? Und morgen muß ich 4 Stunden Unterricht halten!!! Wahnsinn!“ Rechts, 8.4.: „F-12 Felddienste“.
22.-28.3.: links: Namen einiger Soldaten (Dienstgrade Obergefreiter, Wachtmeister, Unteroffizier). Rechts, 23.-25.3.: „1 Kp. rückt um 14.00 zum Einsatz ab. 21.00 rückt die 2. Kp. ab. Fahrt auf LKW über ... [sic] nach Liebenswalde. H.K.L. erreichen gegen Mittag Liebenswalde. Mitten im feindl. Angriff in Stellung an der Havel. Mit H.... zusammen Spähr. [?]. u. 18.15 Abmarsch zum Gegenstoss nach Neuholland. 25.5. 5.00 Gegenstoss. 6 Tote, 5 Verwundete, Rest 15 Mann.“ 26.3.: Quartier in Sägensdorf [?]. Ruhe im Quartier“. 27.3.: „Ruhe im Quartier“. 28.3.: „Abmarsch nach Krewelin“. 29.3.-6.5.: Links. „übernachten in einem Dorf links der Strasse. Früh weiter nach Rheinsberg. ... gleichzeitig mit dem Russen dort an u. marschieren weiter nach Lutt... ... u. dürfen nicht weiter. Inzwischen wird die Strasse nach ... von Russen durchschnitten. Wir sind die letzten von P. unser Trupp liegt wohl noch als einziger in der Stadt. Geg. 19.30 dringt der Russe von allen Seiten vor. Ziehen uns durch die Wälder nach Krätzlitz [?, wohl Kyritz] zurück. Vor Neustadt hat uns die russ. Panzerspitze erreicht u. beschiesst unseren Treck. Nach Überschreiten der amer. Linie endlich Zusammentreffen mit Grupp-Radschka [?]. Waffenabliefern. Endlose Flüchtlings.... strömen der Elbe zu.“ Rechts zumeist unleserlich, wohl weitere Details zum Geschehen. A. gerät in englische Gefangenschaft. Ab dem 3.5. heisst es: „Lager Hammelburg. 570 Offz., 25000 Mann. Sehr ... Unterkunft. Mit W. in der Krankenhalle untergebracht.“ 6.-12.5.: Rechts, 6./7.4.: „immer noch im Lager Hammelburg ... Krieg ist beendet. Alle unter 18 und über 50 Jahren [sollen] entlassen werden. ....“.

Es folgen Notizen und Adressen im Buche, autobiografische Angaben sind nicht mehr verzeichnet (ausser am 1.8.1945: „Entlassung nach dem amer. Gebiet, Oberfranken, Kassel“, am 11.8.: „Entlassung durch die 12. USA Gruppe“). Im Juli 1945 findet sich noch handschriftlich der militärische Werdegang des A. von 1938 bis November 1943. Demnach war er am 1.12.1939 Gefreiter, am 1.7.1941 Unteroffizier, am 1.11.1942 Leutnant. Am 22.4.-30.6.1942 absolvierte er einen „K.O.N.-Lehrgang“ (KON = „Kriegsoffiziersnachwuchs“). Am 24.11.1942 erhielt er die „Medalia Serviciul Credincios .. spado clasa IIIa“ (rumänischer Orden für treue Dienste), am 26.10. 1943 das EK2, am 16.11. das Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse. 1945 war A. Oberleutnant. Er scheint nach dem Kriege als Grenzpolizist in Bayern gedient zu haben.

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