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Jahr: |
um 1900 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
2672 |
E-Mail
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Reiseerinnerungen, verfasst von einer namenlosen Mutter [wohl Familie Huning] an ihre Kinder. Selbstverlag, o.O. o.J. [um 1900]. 8°, Kartoneinband mit montiertem s-w-Foto, unpag. [20 Seiten]. Auf dem Einband heißt es: „Castle Huning, Albuquerque, Neu Mexico“.
Wahrscheinlich ist eine der Hunings die Autorin des Textes. Die auf dem Deckel abgebildete Villa wurde indes erst 1890 errichtet (und 1955 abgerissen). Familie Huning spielte im späten 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle in Albuquerque. Franz Huning ermöglichte z.B. mit Anderen den Eisenbahnbau 1880 und gründete die erste Zeitung des Ortes.
Zustand: Einband etwas stockfleckig, Block minimal stockig, Einbandecke vorne und erste Seiten des Blocks mit leichter Eckfalz, sonst gut.
Der Text ist auf 1. Seite lokalisiert und datiert mit „Albuquerque (Neu Mexico), Oktober 1869“. Der erste Satz lautet „Am 30. April traten wir [die Autorin und ihr Gatte] unsere Reise an; ihr erstes Ziel war Bremen [...].“ Nach stürmischer Überfahrt an Bord des Dampfers „Deutschland“ im Mai des Jahres erreichen sie New York und reisen denn weiter nach St.Louis, „dem Dorado der deutschen Einwanderer“. Dann geht es weiter nach St.Charles, „zu den Verwandten“. „Am nächsten Tage kam die Nachricht kam die Nachricht aus Kansas, das unser Train aus Neu-Mexiko endlich angekommen war und mußte mein Mann sofort nach dort“. Etliche Tage später reist auch die Gattin gen Fort Leavensworth / Kansas ab, in Begleitung eines jungen Hamburgers, einer mit ausgewanderten deutschen Köchin und eines frisch angeheuerten deutschen Kutschers. Dort verlässt man den Zug und steigt in eine pferdegezogene Kutsche, Teil eines 10-wagigen Trecks, um. Nun folgt der spannendste Teil des Berichts, die 2monatige Reise im Wagentreck durch Colorado nach Albuquerque, quer durch wildes Indianerland (12 Seiten). Ihr Gatte und einige von ihm angestellte Mexikaner kümmern sich um die Sicherheit der Karawane. „Ich fand diese Bande entsetzlich in ihrer kriegerischen Ausrüstung, ihr Aussehen war dem der Indianer ähnlich. Umgegürtet waren alle mit Patronen, einen Revolver und ein langes Messer an der Seite.“ Öfters treffen sie auf Indianer (Navajo und Pueblo-Indianer), was die Autorin nicht immer so einnimmt, wie im folgenden Bericht: „Wir kampierten auf einem hohen Hügel [...]. Links waren noch einige Indianersiedlungen. [...] Es wurde Abend. Die Indianer mussten wohl ein Fest geben, denn ganz in unserer Nähe erschienen acht Burschen im kriegerischen Schmuck und machten Feuer. Dann kamen die Angehörigen, in burlesker Kleidung die Frauen, und lagerten sich malerisch. Mit Singen, ohne Melodie, eröffneten sie den Tanz. Soch etwas Wunderbares sah ich nie. Sie tanzten, Terpischore hätten sich ihrer nicht zu schämen brauchen. Die graziösen Bewegungen des Oberkörpers, diese Gesten und Blicke, gerade wie das Tempo war, ruhig einsetzend und dann immer feuriger wurden die Blicke, immer wilder der Tanz. Wir sahen alles aus nächster Nähe. In der Nacht hat keiner schlafen können.“ Nach Tagen erreichen sie die kleine Poststation Vermejo, bereits in New Mexico. Weiter geht es über Bajado, einem Dorf, dessen „Bewohner sämtlich Pueblo-Indianer waren. Das Aussehen dieser Menschen war entsetzlich. Der Teint so knusperig, wie ich ihn noch nie gesehen; die Haare trugen sie an den Seiten kurz, vorn bis über die Stirn herunterhängend und hinten als Zopf mit Federn und roten Bändern geschmückt. Um den Hals und Arme trugen sie Perlenschnüre, in den Ohren Ohrringe in Gestalt von Blechplatten, so groß wie Taler. Die Kleidung bestand aus einer roten wollenen Decke, welche nur leger umgeschlagen war. [...]“. Über Las Vegas, San José, Pacharito, Hubdards und San Felipe erreichen sie den Rio Grande, einige Tage später denn endlich Albuquerque.
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