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> deutsche Geschichte bis 1949
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Jahr: |
1919 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
2603 |
E-Mail
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Konvolut von 6 Flugblättern zur Räterepublik München 1918/1919.
Flugblatt 1, ohne Datum (nach dem 22. Februar 1919). 24x31cm, Druck auf billigem Papier, eine mittige Falz, 3 kleine Randlöcher (je 1mm), sonst guter Zustand.
„SOLDATEN! ARBEITER! BÜRGER! Durch ruchlose Mörderhand wurde der Ministerpräsident EISNER ERMORDET, der Minister AUER SCHWER VERWUNDET. Dieser tiefbedauerliche Vorfall, den jeder rechtlich denkende Mensch verurteilen muß, muß alle Gemüter aufs höchste beunruhigen. Sofort muß das VOLKSGERICHT die Untersuchung und strengste Bestrafung vornehmen. An das Volk im Bürger- und Soldatenrock ergeht die Bitte die Ruhe jetzt zu bewahren. Geht in eure Wohnungen, die Straße ist gefährlich. Ab 7 Uhr abends darf keine Zivilperson auf der Straße sein, die öffentlichen Lokalitäten haben ebenfalls um 7 Uhr zu schließen. DER LANDES-SOLDATENRAT: SIMON. MINISTERIUM FÜR MILITÄRISCHE ANGELEGENHEITEN: J.B.: NIMMERFALL. STADT-KOMMANDANT: DÜRR. POLIZEI-PRÄSIDENT: STAIMER. (Druck von G.Birk & Co. M.b.H., München)“.

Das Plakat ist abgedruckt in: „Rudolf von Sebottendorf. Bevor Hitler kam, Urkundliches aus der Frühzeit der nationalsozialistischen Bewegung“ (der Autor bleibt anonym), Deukula Vlg., München 1933, S. 216.
Flugblatt 2, 1.3.1919. 21x26cm, eine mittige Falt, minimaler Eckausriss (2mm), sonst guter Zustand.
„RESOLUTION DER VERTRETER DER MÜNCHENER KASERNEN am 1. März 1919. Die in der Stadtkommandantur versammelten Mitglieder sämtlicher Münchener Truppenteile erklären nach reiflicher, eingehender Aussprache über die Vorgänge der letzten Tage, daß sie geschlossen hinter dem Stadtkommandanten Dürr stehen, der ihr vollstes Vertrauen genießt. SIE HALTEN SICH FERNER FÜR VERPFLICHTET, IM INTERSSE DER UMGEHENDEN AUFNAHME DER ARBEIT ZU VERLANGEN, DAß SOFORT EIN REIN SOZIALISTISCHES MINISTERIUM SEINE TÄTIGKEIT AUFNIMMT. SIE LEHNEN ES AB, MIT SPARTACISTEN UND KOMMUNISTEN ZU ARBEITEN UND WERDEN NACHDRÜCKLICH DEM TERROR DER STRAßE UND EINER GEWISSENLOSEN CLIQUE MIT ALLEN IHNEN ZU GEBOTE STEHENDEN MACHTMITTELN ENTGEGENTRETEN. Sie fordern weiter, daß die Bewaffnung der Arbeiterschaft nach den besprochenen Grundsätzen durchgeführt wird, wie sie von Genosse Lindemann entwickelt wurden und lehnen es ab, Killer und Mehrer ihres Vertrauens zu versichern, da sie der Meinung sind, daß dieselben eine unberechtigte Waffenabgabe an Spartacisten zu fördern versuchen. Sie halten es für notwendig, mit Nachdruck zu erklären, daß sie, wenn obige Kombimationen nicht zur Durchführung gelangen, ihrerseits in Verbindung mit den Soldatenräten des Landes für die Errichtung eines Ministeriums aus U.S.P., Mehrheitssozialisten und Bauernbündlern oder nach Ablehnung einer dieser Gruppen ein reines Gruppenministerium fordern werden und seinen Schutz gewährleisten. Sie fordern endlich eine vernünftige Handhabung der Pressezensur, die jede Partei zu Worte kommen läßt und alle Hetzartikel verbietet. INF. LEIB.REGT. gez. Schachelbauer; 1.INF.REGT. gez. Drescher; 2. INF.REGT. gez. Wein; ERS.RES.REGT.1 gez. Auer; 1.FELD-ART.-RGT. gez. Hufnagel; 7.FELD-ART.-RGT. gez. Schwarzenberger; 1.SCHW.REIT.-RGT. gez. Egetmeier; 1.PION.BAT. gez. Zeller; KRAFTFAHRERSATZABTL. gez. Eisgruber; NACHRICHTENBAT.1 gez. Haßlinger; 1. TRAINABT. gez. Schießel; FLIEGERERSATZABT. gez. Laubinger; FÜR DIE ÜBRIGEN TECHN. TRUPPEN gez. Mayer, Butz; REPUBLIKANISCHE SCHUTZTRUPPE gez. Niederhuber“.

Flugblatt 3, 14.4.1919. 22,5x31cm, Druck auf billigem Papier, eine mittige Falz, einige Stockflecken, sonst guter Zustand.
„Bayern! Volksgenossen! Unser Land ist in schwerster Gefahr. Eine kleine Schar, nur auf Zerstörung bedachter, landfremder Phantasten will unser hartgeprüftes Volk in den blutigen Bürgerkrieg stürzen. Gewissenlos nützt sie die durch die Lebensmittelnot und Arbeitslosigkeit verursachte Erregung der Bevölkerung für ihre verbrechreischen Zwecke aus. Durch die Geduld der Kommunisten, ist in München schon Blut geflossen. Sie organisieren die „Rore Armee“ nach russischem Muster wider die sozialistische Regierung und die Volkswehr. Die Gefahr ist groß. Noch gelingt es den Truppen in München mit heroischem Mute, den Angriffen standzuhalten. Jetzt brauchen sie Hilfe. Der gerechte Zorn des Volkes muß eine Macht schaffen, die dem Verbrechen und Wahnsinn Halt gebietet. Die sozialistische Regierung lehnt es mit Rücksicht auf die unschuldigen Frauen, Kinder und Greise ab, die terroristischen Gewalthaber durch Lebensmittelsperre zu bezwingen.
Eine nur kann helfen: ARBEITER! BAUERN! BÜRGER! erhebt euch wie ein Mann. In überwältigenden Kundgebungen habt ihr euch zu uns bekannt! Wir rufen euch! Eilet alle herbei zum Schutz des Landes und der Freiheit. Unsere Geduld ist zu Ende. Es muß endlich reiner Tisch gemacht werden. ARBEITER! BAUERN! BÜRGER! Sichert die Früchte der Revolution, rettet Sozialismus und Demokratie! Keine „Weiße Garde“, eine wahre Volkswehr soll gebildet werden. Freiwillige vor! Eilet zu den Waffen!
Bamberg, den 14. April 1919. Das Gesamtministerium des Freistaates Bayern, gez. Hoffmann, Endres, Frauendorfer, Scheppenhorst, Segitz, Steiner, I.B. Dr. Haller, I.B. Gasteiger.
Die Freiwilligen Nordbayerns melden sich in den nächsten Garnisonsorten. Die Freiwilligen Südbayerns melden sich in den Garnisonsorten an der Donau (Neu-Ulm, Donauwörth, Neuburg, Ingolstadt, Regensburg und Straubing). DAS MINISTERIUM FÜR MILITÄRISCHE ANGELEGENHEITEN, gez. Schneppenhorst.“ [Es folgt eine - inflationsbereinigte - Auflistung der „Gebührnisse der in die bayerische Volkswehr eintretenden Freiwilligen“].

Flugblatt 4, Undatiert (März oder April 1919). 15,5x23cm, mittige Falz, spiegelverkehrter Abklatsch des Druckes ist partiell schwach sichtbar , 3 kleine Löchlein, minimal stockfleckig, sonst gut.
„AN ALLE ARBEITER UND SOLDATEN! Die durch die ruchlose Ermordung Kurt Eisners geschaffene Erregung benützte eine kleine Gruppe von Gewaltmenschen, in München die Herrschaft an sich zu reißen. Dagegen wehren sich ganz entschieden die Arbeiter und Soldaten von Amberg, Bayreuth, Sulzbach, Regensburg, Straubing, Erlangen, Ingolstadt, Grafenwöhr, Nürnberg und Fürth. Alle verurteilen die Gewaltherrschaft einer kleinen Minderheit, die Bayern dem Untergang zuführt; sie verlangen eine sozialistische Regierung und die alsbaldige Einberufung des Landtages. Alle wollen die Demokratie und verwerfen die Diktatur, von welcher Seite sie auch kommen möge. Kameraden und Genossen in München! Ihr habt den Willen gezeigt, die Gewaltherrschaft Dr. Levien und seines bewaffneten Anhanges zurückzuweisen. In diesem Bestreben unterstützen euch alle Soldaten des III. Armeekorps. Wenn es nicht anders sein kann, mit Waffengewalt. Da die Zensur in München freie Willensäußerung unterdrückt, haben die Kameraden das Kommando III. A.-K. beauftragt, diese Willenskundgebung durch Flugzeug in München bekanntzugeben. KOMMANDO III. A.-K., SCHNEPPENHORST. DR. EWINGER. (Fränkische Verlagsanstalt & Buchdruckerei G.m.b.H. Nürnberg)“.

Flugblatt 5, undatiert (Frühjahr 1919). 30x44cm, 2 schwache Falzen, ein Fleck, sonst guter Zustand.
„ARBEITER; PARTEI- UND GEWERKSCHAFTSMITGLIEDER! SOLDATEN! In den von Offizieren unterzeichneten Aufrufen an die Bevölkerung zum Eintritt in die zu bildenden Freiwilligen-Formationen der bairischen weißen Garde heißt es: ‚In erster Linie kommen gewerkschaftlich organisierte Arbeiter in Betracht‘. ARBEITER! SOLDATEN! Denkt Ihr an die früheren Zeiten? Denkt Ihr daran, wie es euch während eurer Militärzeit ergangen ist, wenn ihr in den Verdacht gerietet zu den ‚Roten‘ zu gehören? Damals hat man Euch unter der stillen Duldung oder selbst auf direkte Veranlassung der Offiziere geschuhriegelt, weil Ihr politisch oder gewerkschaftlich organisiert ward. Heute fordern die gleichen Offiziere im Bund mit der Regierung die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter auf, in die von ihnen geführten Freiwilligen-Regimenter einzutreten. WAS IST DER GRUND DAFÜR? Die Offiziere und die Regierung braucht Euch. Sie wenden sich in erster Linie an die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter, um den Anschein zu erwecken, als sei der Kampf gegen die sogenannten ‚verbrecherischen Elemente‘, die für das Rätesystem und die Diktatur des Proletariats eintreten, ein Kampf zur Verteidigung Eurer eigenen Interessen. ARBEITER! SOLDATEN! Denkt Ihr daran, wie man euch 4½ Jahre lang über das Wesen des Krieges getäuscht und belogen hat? Denkt Ihr daran, daß man auch ihn einen Krieg zur Verteidigung der Interessen der deutschen Arbeiter genannt hat, während sich die Arbeiter aller Länder für nichts anderes gegenseitig töteten, als darum, ob die deutschen oder die englischen Kapitalisten die kapitalistische Ausplünderung der Welt besorgen sollen? [.....] ARBEITER! SOLDATEN! 12000000 Toter, eine noch größere Anzahl Leicht- und Schwerverletzter, wenigstens 3000000 Arbeitsloser allein in Deutschland, Hunderte von Milliarden Mark an Kriegsschulden sind die Früchte der Interessenpolitik der herrschenden Klassen, die ihr gegen den inneren Feind, gegen eure eigenen Klassengenossen verteidigen sollt, nachdem ihr sie 4½ Jahre lang gegen den äußeren Feind verteidigt habt. [...] Die Politik der herrschenden Klassen im Krieg wäre nicht möglich gewesen, wenn ihnen nicht in den Ebert und Scheidemann und den übrigen mehrheitssozialistischen Führer [sic] Helfershelfer entstanden wären, wenn diese nicht unter Mißbrauch des ihnen entgegengebrachten Vertrauens die wachsende Empörung der Volksmassen gegen den Krieg immer wieder abgelenkt und die Arbeiterschaft zum Durchhalten aufgefordert hätten. [...] ARBEITER! SOLDATEN! Könnt Ihr zweifeln, an welcher Seite Euer Platz ist? Fallt Euren für die Befreiung ihrer Klasse eintretenden Kameraden nicht in den Rücken! Gebraucht nicht die Waffen gegen Eure Arbeitsbrüder, die nur weiter links stehen wie Ihr, die heute schon da stehen, wo Ihr selbst nach kurzer Zeit schon stehen werdet! SCHIEßT NICHT AUF EURE BRÜDER! HINEIN IN DIE ROTE ARMEE! DER VOLLZUGSRAT DER ARBEITER- UND SOLDATENRÄTE MÜNCHEN. (Druck: Münchner Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn)“.

Dazu ein Extrablatt des Ingolstädter Tagblatt (1 Blatt, 35x38cm, links mit Randläsuren, lichtrandig), dat. 3.5.1919. „Die Bruderkämpfe in München. ... Wie soeben aus München gemeldet wurd, brennt der Matheserbräu. Der Zeitungskiosk und die Wartehalle am Stachus dem Erdboden gleichgemacht. Der Stadtkommandant Egelhofer wurde erschossen, nachdem die Geiseln, die im Luitpoldgymnasium in Haft waren, ermordet und ihre Leichen vollständig verstümmelt und völlig unkenntlich gemacht worden waren. Unter den Ermordeten befindet sich der Sohn des Fürsten Thurn u. Taxis, der General Bothmer, unser altbewährter Heerführer an der Ostfront, ferner Studienrat Bergers (!). Die Regierungstruppen machen daher kurzen Prozess mit den Spartakisten. ..... Wollen Sie über alle Ereignisse schnell unterrichtet sein, bestellen Sie sofort das ‚Tagblatt’.“
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